Die Finanzminister der Eurozone haben beschlossen, dass die griechische Ökonomie wieder auf eignen Beinen stehen soll. Trotzdem gibt es noch eine Finanzspritze von 15 Milliarden Franken. Ist die griechische Wirtschaft über dem Berg? Rodothea Seralidou warnt vor zu viel Euphorie.
SRF News: Wie kommt die Entscheidung, die in der Nacht in Luxemburg getroffen wurden, in Griechenland an?
Rodothea Seralidou: Die griechische Regierung begrüsst die Entscheidung. Sie legt den Fokus vor allem auf die beschlossenen Schuldenerleichterungen. Der griechische Finanzminister Euklid Tsakalotos sagte nach der langen Sitzung gestern Nacht: «Wir sind zufrieden mit dem Ergebnis. Unsere Schulden sind nun tragfähig.» Die griechische Presse hingegen ist gespalten. Die regierungsnahen Zeitungen feiern, die konservativen konzentrieren sich auf die Aspekte, die für Griechenland nicht so gut sind. Es geht vor allem um die Auflagen, die die Finanzministerminister gestern beschlossen haben.
Die EU-Finanzminister wissen, dass die griechische Regierung viele der Reformen nicht aus eigener Überzeugung umgesetzt hat.
Was muss Griechenland konkret tun, um auch in Zukunft noch an Hilfsgelder zu kommen?
Einerseits soll Griechenland eine Art Liquiditätspuffer von 15 Milliarden Euro bekommen, damit sich das Land nicht sofort nach Ablauf des Hilfsprogramms auf dem Kapitalmarkt Geld leihen muss. Zusätzlich aber soll Griechenland bis 2022 weitere Hilfsgelder in Höhe von rund 24 Milliarden Euro erhalten. Dafür muss die griechische Regierung weitere Reformen umsetzen und jedes Jahr einen Haushaltsüberschuss von mindestens 3,5 Prozent erreichen.
Sind neue Auflagen für die Bevölkerung in Griechenland noch tragbar?
Mit dem Ende des dritten Rettungsprogramms können die Griechen nicht aufatmen, im Gegenteil. Viele Griechen sind jetzt schon an der Grenze des Möglichen angelangt. Laut der europäischen Statistikbehörde kann zum Beispiel jeder zweite Grieche seinen finanziellen Verpflichtungen nicht pünktlich nachgehen. Das positive Klima in der griechischen Wirtschaft, von dem in Europa und auch in der griechischen Regierung die Rede ist, spüren die Menschen in Griechenland momentan jedenfalls kaum.
Griechenland soll weiterhin Reformen umsetzen und jedes Jahr einen Haushaltsüberschuss von mindestens 3,5 Prozent erzielen. Ist das überhaupt realistisch?
Es wird nicht leicht sein, das ist klar. Unmöglich ist es aber nicht, denn die griechische Regierung hat ja trotz aller Skepsis schon dieses Jahr die vorgesehenen Wirtschaftsziele erreicht. Es ist eher die Frage, ob es langfristig sinnvoll ist, nur die Zahlen im Blick zu haben und zu sparen, so wie es momentan der Fall ist.
Welche Reformen hat Griechenland konkret umgesetzt?
Griechenland hat beispielsweise das Arbeitsrecht geändert. Dadurch wurden auch die traditionell sehr mächtigen Gewerkschaften geschwächt. Es gibt nun weitaus mehr verkaufsoffene Sonntage und der Staatsapparat wird modernisiert. Es findet gerade ein Digitalisierungsprozess statt. Das alles sind Reformen, die im Rahmen der Hilfsprogramme festgelegt wurden.
Für Ausländer lohnt es sich momentan nicht, in Griechenland zu investieren.
Trotzdem wollen jetzt die Euro-Finanzminister diese letzte Tranche an einige Auflagen knüpfen. Warum wollen sie mehr Kontrolle?
Weil sie wissen, dass die griechische Regierung viele der Reformen nicht aus eigener Überzeugung umgesetzt hat, sondern weil sie gezwungen war, dies zu tun, um an frisches Geld zu kommen. Dementsprechend hat auch die griechische Regierung schon mehrmals angekündigt, dass nach Ende des Rettungspakets alles besser wird. Zum Beispiel werde es Einstellungen im öffentlichen Dienst geben, mehr Geld für Geringverdiener und das verunsichert die Geldgeber. Die Angst ist gross, dass das die griechische Regierung wieder grosszügig werden könnte und die Wirtschaftsziele nicht erreichen wird.
Was bräuchte es, damit die griechische Wirtschaft wieder gesund wird?
Es bräuchte ein langfristiges Denken, da sind sich die griechischen Wirtschaftsexperten einig. Ein Denken, das vielleicht vorübergehend nicht so viel Geld in die Staatskasse bringt, langfristig aber den erhofften Aufschwung bringen könnte, eher als Rentenkürzungen als Steuererhöhungen. Ein Beispiel sind attraktive Steuern für Unternehmen und ein stabiles Steuersystem, das sich nicht jedes Jahr ändert. Dadurch könnte man mehr Investoren anlocken und Arbeitsplätze schaffen. Im Vergleich zu den Nachbarländern wie Bulgarien, das Unternehmen einen Steuersatz in Höhe von zehn Prozent anbietet, lohnt es sich für Ausländer momentan nicht, in Griechenland zu investieren, wo der Steuersatz bei 26 Prozent und bei den Aktiengesellschaften bei 29 Prozent anfängt. Sogar Tausende griechische Firmen sind in den letzten Jahren nach Bulgarien ausgewandert, um den hohen Steuern zu entkommen.
Das Gespräch führte Roger Aebli.