In einem Punkt herrscht unter den europäischen Staaten breiter Konsens: Der Kontinent muss mehr in seine Verteidigung investieren. Viel mehr. Doch bei der Frage, woher dieses Geld denn kommen soll, wird es kompliziert.
Zunächst einmal sind da die nationalen Budgets. Nato-Generalsekretär Mark Rutte fordert von den europäischen Staaten, ihre Budgetprioritäten zu ändern. Ein Viertel der Budgets würde für Renten, Krankenversorgung und soziale Sicherheit ausgegeben. Ein Bruchteil davon genügte, um die Verteidigung zu stärken, rechnete er Anfang Jahr im EU-Parlament vor.
Weniger Geld für Renten und mehr für Rüstung? Höchst unpopulär. Harte politische Auseinandersetzungen auf nationaler Ebene werden unumgänglich sein.
Neue EU-Schulden?
Kommt hinzu, dass vielen EU-Staaten die Schulden schon weit über den Kopf gewachsen sind. Ihr finanzieller Spielraum ist klein. Vor allem aus den Staaten mit besonders hoher Schuldenlast wird auch der Ruf nach gesamteuropäischen Geldern immer lauter. Und wenn man in Brüssel nach Geld sucht, dann kommen schnell gemeinsame EU-Schulden ins Spiel. Was lange ein Tabu war, wurde während der Corona-Pandemie gebrochen, um den sogenannten Wiederaufbaufonds zu finanzieren.
Doch gemeinsame Schulden bleiben politisch höchst umstritten. Vor allem Deutschland lehnt erneute EU-Schulden im Moment kategorisch ab. Auch auf EU-Ebene wird der Streit ums Geld in den kommenden Monaten merklich Fahrt aufnehmen.
Geld allein reicht nicht
Doch alles Geld wird nicht viel nützen, wenn die europäischen Staaten nicht auch ihre Verteidigungspolitik besser koordinieren. Beileibe keine neue Erkenntnis. Und dennoch sind nationale Alleingänge in der Rüstungsbeschaffung noch immer die Regel und nicht die Ausnahme.
Warum sollte sich das jetzt ändern? Dafür spricht, dass sich die geopolitische Situation für Europa gerade so rasant ändert, wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine läuft noch immer und bringt auch die anderen europäischen Staaten und ihre Rüstungsindustrie an ihre Grenzen. Und gleichzeitig könnten sich die Amerikaner unter Präsident Trump in Sicherheitsfragen wesentlich schneller von Europa abwenden, als das unter den Demokraten der Fall gewesen wäre.
Europa wird in Sicherheitsfragen einsamer. Diese Erkenntnis ist bei den europäischen Staaten angekommen und die Zeit der Analyse ist zu Ende. Jetzt muss Europa Lösungen finden, um seine Sicherheit in die eigenen Hände zu nehmen. Denn ändern lässt sich geopolitische Realität so schnell nicht. Ob das gelingt, ist völlig offen. Doch der Druck, deutlich autonomer zu werden, wenn es um die europäische Verteidigung geht, ist so gross wie wohl noch nie seit dem Bestehen der EU. Wenn es jetzt nicht gelingt, die politischen Weichen dafür zu stellen, dann wahrscheinlich nie.