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Zwei Prozent des BIP Die Nato-Mitglieder rüsten auf – ein Überblick

Das nordatlantische Verteidigungsbündnis kommt seinem Ausgabenziel näher. Doch was bedeutet das für die Kampfkraft der Nato?

Darum geht es: Ein Grossteil der Nato-Staaten wird ab diesem Jahr rund zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) für die Verteidigung ausgeben. Die Inflation und Wechselkursschwankungen herausgerechnet, wird im Vergleich zu 2023 von einem Anstieg von über zehn Prozent gesprochen.

Stoltenberg lobt «grösste Steigerung seit Jahrzehnten»

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Legende: Ein lettischer Soldat während der offiziellen Begrüssungszeremonie des von Kanada geführten Nato-Kampfbataillons (Enhanced Forward Presence, EFP) in Adazi, Lettland, am 19. Juni 2017. REUTERS/Ints Kalnins

Nach jüngsten Schätzungen werden die derzeit 32 Bündnispartner im Jahr 2024 rund 1.5 Billionen US-Dollar (mehr als 1.3 Billionen Franken) für ihre Verteidigungshaushalte ausgeben. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der sich zur Vorbereitung eines Gipfels derzeit in Washington aufhält, lobte bei einem Treffen mit US-Präsident Joe Biden am Montag die Entwicklung als «grösste Steigerung seit Jahrzehnten». Die Zahlen zeigten, dass die europäischen Partner und Kanada ihren Teil der Verantwortung für den Schutz aller Mitglieder des Nato-Bündnisses übernähmen. Biden sprach von einer «Rekordzahl» an Verbündeten, die die Zielmarke für Verteidigungsausgaben nun erreichten.

Ursprung des Zwei-Prozent-Ziels: Die Zielmarke wurde zum ersten Mal 2002 formuliert. Damals hatte das Verteidigungsbündnis Bulgarien, Rumänien und die Slowakei eingeladen, der Nato beizutreten. Die Bedingung: genug Investitionen in die Verteidigung. Als Richtwert wurden zwei Prozent des BIP vorgegeben. Um es gerecht zu machen, wurde das auch allen anderen Mitgliedern der Nato empfohlen. Wirklich festgeschrieben wurde das Zwei-Prozent-Ziel dann beim Nato-Gipfel 2014 in Wales. Ein halbes Jahr davor hatte Russland die Krim annektiert. Konkret festgeschrieben wurde damals, dass alle Nato-Staaten darauf abzielen, sich innerhalb von zehn Jahren auf den Richtwert von zwei Prozent zuzubewegen.

Diese Länder erreichen das Ziel (nicht): Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 haben viele Nato-Mitglieder ihre Militärausgaben deutlich erhöht. Laut einem aktuellen Bericht der Nato werden im laufenden Jahr voraussichtlich 23 der 32 Bündnispartner das Zwei-Prozent-Ziel erfüllen. Darunter erstmals auch Deutschland. Spitzenreiter bei der Quote sind Polen mit Verteidigungsausgaben in Höhe von 4.12 Prozent des BIP und Estland mit 3.43 Prozent. Beide Länder liegen damit noch vor den USA, die 2024 nach den jüngsten Schätzungen auf 3.38 Prozent kommen dürften. Schlusslichter im Ranking sind Länder wie Spanien, Slowenien und Luxemburg, die derzeit bei unter 1.3 Prozent liegen. Auch Belgien (1.30 Prozent), Kanada (1.37 Prozent), Italien (1.49 Prozent) und Portugal (1.55 Prozent) werden die Nato-Zielmarke deutlich verfehlen.

Hier wird investiert: Die sogenannten «Fähigkeitslücken» sind nicht bei allen 32 Nato-Mitgliedern am selben Ort: «Bei den einen ist die zu geringe Truppenstärke ein Thema – weshalb mancherorts nun über die Einführung oder Wiedereinführung der Wehrpflicht diskutiert wird», so Fredy Gsteiger, diplomatischer Korrespondent von SRF. «Bei den anderen gibt es Schwächen in der Struktur, der Organisation oder der Logistik der Streitkräfte. Und in sehr vielen Ländern sind die Waffensysteme veraltet und teilweise nur noch begrenzt einsetzbar.» Je nachdem, wo das Hauptproblem liege, werde an unterschiedlichen Stellen angesetzt.

Europa, USA, China und Russland – die Ausgaben im Vergleich

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Trotz der deutlichen Steigerungen der europäischen Staaten werden die USA den Zahlen zufolge aber dennoch mit schätzungsweise rund 968 Milliarden Dollar erneut mehr als doppelt so viel Geld in die Verteidigung stecken wie alle anderen 31 Nato-Partner zusammen. Sie bleiben damit auch international die absolute Nummer eins.

Die Militärausgaben in Russland wurden vom Internationalen Institut für Strategische Studien (IISS) für 2023 auf lediglich rund 109 Milliarden Dollar geschätzt, was unter Berücksichtigung von Kaufkraftunterschieden im Westen schätzungsweise rund 295 Milliarden Dollar entsprechen würde.

China lag demnach kaufkraftbereinigt bei 408 Milliarden Dollar.

Auswirkung auf die Kampfstärke: «Es dauert Jahre, bevor Erhöhungen des Rüstungsetats operativ wirksam werden», erklärt Gsteiger. Die Beschaffung neuer Waffensysteme beispielsweise erstrecke sich oft über ein Jahrzehnt. «Also wird die Kampfstärke der Nato nur in kleinen Schritten erhöht.» Nach Meinung vieler Fachpersonen wäre das Bündnis derzeit gar nicht imstande, auf dem Kontinent einen grossen, langwierigen Krieg erfolgreich zu führen. Denn Waffen- und Munitionsbeschaffungen in den Nato-Ländern sind weitgehend auf Friedenszeiten ausgerichtet. Entsprechend sind die Vorräte knapp bemessen. Gsteiger schliesst: «Das Hochfahren der Wehretats und die Tatsache, dass viele Nato-Staaten eben erst das Zwei-Prozent-Ziel erreichen, führt nicht über Nacht zu mehr Kampfkraft, sondern nur langfristig.»

Video
Archiv: 75 Jahre NATO – alte Freunde, neue Fronten
Aus SRF school vom 18.05.2024.
Bild: SRF/MDR/BR abspielen. Laufzeit 51 Minuten 29 Sekunden.

SRF 4 News, 18.06.2024, 1 Uhr; awp/ard

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