Darum geht es: Ein Grossteil der Nato-Staaten wird ab diesem Jahr rund zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) für die Verteidigung ausgeben. Die Inflation und Wechselkursschwankungen herausgerechnet, wird im Vergleich zu 2023 von einem Anstieg von über zehn Prozent gesprochen.
Ursprung des Zwei-Prozent-Ziels: Die Zielmarke wurde zum ersten Mal 2002 formuliert. Damals hatte das Verteidigungsbündnis Bulgarien, Rumänien und die Slowakei eingeladen, der Nato beizutreten. Die Bedingung: genug Investitionen in die Verteidigung. Als Richtwert wurden zwei Prozent des BIP vorgegeben. Um es gerecht zu machen, wurde das auch allen anderen Mitgliedern der Nato empfohlen. Wirklich festgeschrieben wurde das Zwei-Prozent-Ziel dann beim Nato-Gipfel 2014 in Wales. Ein halbes Jahr davor hatte Russland die Krim annektiert. Konkret festgeschrieben wurde damals, dass alle Nato-Staaten darauf abzielen, sich innerhalb von zehn Jahren auf den Richtwert von zwei Prozent zuzubewegen.
Diese Länder erreichen das Ziel (nicht): Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 haben viele Nato-Mitglieder ihre Militärausgaben deutlich erhöht. Laut einem aktuellen Bericht der Nato werden im laufenden Jahr voraussichtlich 23 der 32 Bündnispartner das Zwei-Prozent-Ziel erfüllen. Darunter erstmals auch Deutschland. Spitzenreiter bei der Quote sind Polen mit Verteidigungsausgaben in Höhe von 4.12 Prozent des BIP und Estland mit 3.43 Prozent. Beide Länder liegen damit noch vor den USA, die 2024 nach den jüngsten Schätzungen auf 3.38 Prozent kommen dürften. Schlusslichter im Ranking sind Länder wie Spanien, Slowenien und Luxemburg, die derzeit bei unter 1.3 Prozent liegen. Auch Belgien (1.30 Prozent), Kanada (1.37 Prozent), Italien (1.49 Prozent) und Portugal (1.55 Prozent) werden die Nato-Zielmarke deutlich verfehlen.
Hier wird investiert: Die sogenannten «Fähigkeitslücken» sind nicht bei allen 32 Nato-Mitgliedern am selben Ort: «Bei den einen ist die zu geringe Truppenstärke ein Thema – weshalb mancherorts nun über die Einführung oder Wiedereinführung der Wehrpflicht diskutiert wird», so Fredy Gsteiger, diplomatischer Korrespondent von SRF. «Bei den anderen gibt es Schwächen in der Struktur, der Organisation oder der Logistik der Streitkräfte. Und in sehr vielen Ländern sind die Waffensysteme veraltet und teilweise nur noch begrenzt einsetzbar.» Je nachdem, wo das Hauptproblem liege, werde an unterschiedlichen Stellen angesetzt.
Auswirkung auf die Kampfstärke: «Es dauert Jahre, bevor Erhöhungen des Rüstungsetats operativ wirksam werden», erklärt Gsteiger. Die Beschaffung neuer Waffensysteme beispielsweise erstrecke sich oft über ein Jahrzehnt. «Also wird die Kampfstärke der Nato nur in kleinen Schritten erhöht.» Nach Meinung vieler Fachpersonen wäre das Bündnis derzeit gar nicht imstande, auf dem Kontinent einen grossen, langwierigen Krieg erfolgreich zu führen. Denn Waffen- und Munitionsbeschaffungen in den Nato-Ländern sind weitgehend auf Friedenszeiten ausgerichtet. Entsprechend sind die Vorräte knapp bemessen. Gsteiger schliesst: «Das Hochfahren der Wehretats und die Tatsache, dass viele Nato-Staaten eben erst das Zwei-Prozent-Ziel erreichen, führt nicht über Nacht zu mehr Kampfkraft, sondern nur langfristig.»