Das EU-Parlament ist wie erwartet nach rechts gerutscht. Damit dürfte die Wirtschaft in den Vordergrund treten und der Klimaschutz in den Hintergrund rücken, vermuten Beobachter. Sanija Ameti, Co-Präsidentin der Operation Libero, die die Europa-Initiative lanciert hat, bleibt dennoch optimistisch. Ihre Initiative zielt darauf ab, die Zusammenarbeit mit der EU zu stärken. Die Grünliberale sieht in den Wahlergebnissen keine zwingenden Rückschritte für ihre Ziele.
SRF News: Wie beurteilen Sie den Rechtsrutsch im Europaparlament?
Sanija Ameti: Gemäss Prognosen hat man in ganz Europa einen Rechtsrutsch erwartet. Bemerkenswert ist, dass es in den skandinavischen Ländern einen Linksrutsch gegeben hat. Zwar haben die Grünen am meisten verloren. Insgesamt bleibt aber das proeuropäische Lager mit Abstand das grösste. Die rechten und rechtspopulistischen Parteien haben zusammen weniger als 200 Sitze und sind damit weit entfernt von einer Mehrheit. Es gibt doch guten Grund, um weiterhin hoffnungsvoll zu sein.
Ziel der Europa-Initiative ist es, dass die Schweiz einen Grundsatzentscheid zur EU fällt und noch enger mit der EU zusammenarbeitet. Mit dem Rechtsrutsch im EU-Parlament dürften nicht wenige der EU gegenüber skeptischer sein.
Nicht unbedingt. Eine der Stärken der Schweiz ist, dass sie sowohl mit rechts als auch mit links arbeiten kann – das macht unser Regierungssystem aus. Mit der Europa-Initiative streben wir einen Identitäts- und Grundsatzentscheid an: Gehört die Schweiz zu Europa und gestaltet sie diesen Kontinent mit oder zieht sie sich in ein abgeschottetes Reduit zurück, so wie es die Rechtspopulisten gerne möchten? Dieser Grundsatzentscheid stellt sich unabhängig davon, wie das Europaparlament zusammengesetzt ist.
Eine verstärkte Zusammenarbeit wird sich auch im Sicherheits- und Verteidigungsbereich aufdrängen.
Wir haben nicht nur das Klimaproblem, sondern auch enorme geopolitische Spannungen. Daher wird sich in den nächsten fünf Jahren eine verstärkte Zusammenarbeit nicht nur im Klimabereich, sondern auch im Sicherheits- und Verteidigungsbereich aufdrängen.
Ein Ziel Ihrer Europa-Initiative ist die stärkere Zusammenarbeit mit der EU beim Klimaschutz. Das dürfte mit dem Rechtsrutsch auch für Ihre Initiative schwieriger werden.
Nein, nicht unbedingt. Stärker zusammenarbeiten schliesst nicht aus, dass man das auch mit dem neuen Parlament versuchen kann. Das Parlament besteht jetzt für die nächsten Jahre. Wir können die Entwicklung nicht antizipieren. Klar ist, dass die Schweiz allein beim Klimaschutz nicht viel bewirken kann, sondern nur mit dem Hebel der EU.
Wir können zuversichtlich sein, dass der Klimaschutz unter der Präsidentschaft von von der Leyen weiterhin eine gewichtige Rolle spielen wird.
Die Schweiz hat eine rechte Mehrheit im Parlament, das EU-Parlament hat immer noch keine rechte Mehrheit. Das bedeutet, dass man im Hinblick auf den Klimaschutz weiterhin zuversichtlicher sein kann als in der Schweiz.
Zur EU-Kommission: Ursula von der Leyen dürfte auch weiterhin Präsidentin der EU-Kommission sein. Welche Rolle spielt das für Sie?
Es ist vor allem im Lichte der Stabilität und Kontinuität zu betrachten. Sie hat die jüngst verabschiedete Umweltverantwortungsrichtlinie erwirkt – im Klimaschutz ein Pionier. Wir können zuversichtlich sein, dass der Klimaschutz unter der Präsidentschaft von von der Leyen weiterhin eine gewichtige Rolle spielen wird. Zudem ist sie eine engagierte Stimme für die Ukraine und die Verteidigungsfähigkeit der EU. Insofern bin ich sehr zufrieden, dass von der Leyen weiterhin Präsidentin ist.
Das Gespräch führte Susanne Stöckl.