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Exhumierung von Franco «Spaniens neuer Premier will ein Zeichen setzen»

Die Gebeine des Ex-Diktators sollen an einen nicht öffentlichen Ort gebracht werden. Anhänger drohen mit Protesten.

General Franco regierte Spanien von 1936 bis zu seinem Tod 1975. Sein Staatsstreich löste 1936 den spanischen Bürgerkrieg aus. Seine Gebeine liegen in einem riesigen Mausoleum in der Nähe von Madrid – im Valle de los Caídos, dem Tal der Gefallenen. Nun hat die Regierung per Dekret die Exhumierung und Umbettung Francos verfügt. Der Entscheid muss im September noch durchs Parlament. Er ist ein wichtiges Zeichen für die Opfer. Doch nur ein kleiner Schritt in Spaniens Vergangenheitsbewältigung, sagt Journalistin Julia Macher.

Julia Macher

Journalistin in Barcelona

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Julia Macher berichtet aus Spanien für verschiedene Radio- und TV-Sender, hauptsächlich über Gesellschaft und Kultur.

SRF News: Wieso soll Franco nicht mehr länger im Mausoleum liegen?

Julia Macher: Dieses Mausoleum ist ja nicht nur eine Grabstätte, sondern eine riesige Kirchen- und Klosteranlage mit einem 155 Meter hohen Betonkreuz. Sie wurde damals vom Diktator als Denkmal seines Sieges im Bürgerkrieg gebaut.

Grab
Legende: Der Beschluss, Francos Gebeine umzubetten, soll per Dekret fallen. So kann die Familie nicht juristisch dagegen vorgehen. Keystone

Diesen Charakter hat sie bis heute. Jeden Tag legen die Benediktinermönche, die für die Anlage zuständig sind, Blumen auf die Grabplatte. Und jedes Jahr an Francos Todestag kommen seine Anhänger und huldigen ihm. Opferorganisationen fordern schon lange, dass mit dieser Verherrlichung Schluss sein soll. Und jetzt sagt auch der neue Premier Pedro Sánchez, die spanische Demokratie könne sich franquistische Denkmäler nicht mehr leisten.

Die neue sozialistische Regierung Spaniens will die Umbettung der Gebeine per Dekret beschliessen. Wieso auf diesem Weg?

Francos Familie ist gegen die Umbettung. Aber gegen ein Dekret kann sie keinen Prozess anstrengen. Der andere Grund ist, dass es so schnell wie möglich passieren soll. Das Parlament hatte sich schon im letzten Jahr für eine Umbettung ausgesprochen – ohne bindende Wirkung.

Es wird nicht kommuniziert, wann diese Umbettung stattfindet. Auch wird der Ort, an dem die Gebeine künftig liegen sollen, nicht öffentlich zugänglich sein. Weshalb diese Geheimnistuerei?

Die Regierung befürchtet Proteste von Franco-Anhängern. Die Pro-Franco-Stiftung hat vor dem Sommer bereits Unterschriften gegen die Exhumierung gesammelt. Es gab Demonstrationen und Messen für den Ex-Diktator.

Die Regierung möchte sich Bilder von demonstrierenden Anhängern ersparen.

Bilder von demonstrierenden Franco-Anhängern möchte sich die Regierung ersparen. Deswegen weiss man nur, dass Franco wahrscheinlich irgendwann in der zweiten Septemberhälfte umgebettet wird. Fordern seine Enkel die Überreste nicht ein, kommen die Knochen in ein Gebeinhaus.

Der spanische Bürgerkrieg, den Franco ausgelöst hatte, ist rund 80 Jahre her. Wieso ist sich Spaniens Bevölkerung im Umgang damit so uneinig?

Sie ist in der Frage gespalten, wie man mit Bürgerkrieg und Diktatur umgehen soll. Das hat historische Gründe. Denn so etwas wie eine Vergangenheitsbewältigung hat es in Spanien nie gegeben. Man wollte nach Francos Tod mit leisen Schritten zur Demokratie übergehen, ohne direkten Bruch. Grundlage war ein weitreichendes Amnestiegesetz. Gleichzeitig hat man sich ein gesellschaftliches Schweigen verordnet.

So etwas wie Vergangenheitsbewältigung hat es in Spanien nie gegeben.

Über Francos Opfer wurde nicht gesprochen, es gab keine Entschädigungen, keine Aufhebung der Urteile. Und immer noch liegen Zehntausende Bürgerkriegstote der republikanischen Seite in anonymen Massengräbern. Auch in Schulen gab es lange Zeit keine kritische Aufarbeitung. Bei einem Teil der Bevölkerung konnten die Wunden von Bürgerkrieg und Diktatur nie richtig verheilen, sondern sie vernarbten.

Ist die Verlegung der Gebeine ein Schritt der neuen sozialistischen Regierung, diese Vergangenheitsbewältigung voranzutreiben?

Premier Sánchez will zumindest ein Zeichen setzen. Damit knüpft er auch an die Politik seines Parteikollegen José Luis Rodríguez Zapatero an. In dessen Amtszeit wurde bereits 2007 ein Erinnerungsgesetz verabschiedet. Das sah eine Anerkennung der Opfer und Verurteilung der Diktatur vor. Damals wurden Strassen, die noch Francos Namen trugen, umbenannt. Franquistische Symbole wurden aus dem öffentlichen Raum entfernt, politische Veranstaltungen im Valle de los Caídos verboten.

Pedro Sánchez will mit der Umbettung zeigen, dass ihm das Thema wichtig ist.

Aber unter dem konservativen Premier Mariano Rajoy wurde das Gesetz auf Eis gelegt. Es gab kein Budget für die Massnahmen. Sánchez will nun mit der Umbettung zeigen, dass ihm das Thema zumindest wichtig ist.

Das Gespräch führte Jonathan Fisch.

Das Franco-Regime in Spanien

Unter Führung von General Francisco Franco putschten konservativ-monarchistische Militärs 1936 gegen die demokratisch gewählte, republikanische Regierung, was den spanischen Bürgerkrieg auslöste. Nach dessen Ende regierte Franco ab 1939 Spanien als Diktator. Unter dem rechten Franco-Regime kam es zu brutalen Säuberungsaktionen, in denen Hunderttausende politische Gegner verhaftet, in Konzentrationslager gesteckt, gefoltert und umgebracht wurden.
Während des Zweiten Weltkriegs wahrte Franco Neutralität und schaffte es, Spanien aus den Kriegswirren herauszuhalten – auch wenn zahlreiche Spanier als Freiwillige auf Seiten Nazi-Deutschlands an der Ostfront gegen die Sowjetunion kämpften. Während des Kalten Kriegs gehörte Diktator Franco zu den führenden Antikommunisten in Europa. Er verfolgte eine restriktive Aussenpolitik gegenüber der Sowjetunion und den Staaten des Ostblocks.
Die symbolischen Interventionen Spaniens im Koreakrieg und später im Vietnamkrieg an der Seite der USA beendete die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs anhaltende Isolation Spaniens und legitimierte das Franco-Regime international. Nach wirtschaftsliberalen Reformen kam es in den 1960er Jahren unter Francos Herrschaft in Spanien zum grössten Wirtschaftswachstum im 20. Jahrhundert – nicht zuletzt dank des blühenden Tourismus. Dies machte das Land zu einer der weltweit grössten Volkswirtschaften.
1969 ernannte Franco den späteren König Juan Carlos I. zu seinem Nachfolger. Zur gleichen Zeit nahm der Widerstand gegen das Franco-Regime zu, doch ein Machtwechsel konnte nicht erreicht werden. Erst mit dem Tod Francos am 20. November 1975 endete die Diktatur in Spanien. Im November gleichen Jahres wurde Juan Carlos zum König ernannt. Im Juni 1977 fanden die ersten freien Parlamentswahlen seit 1936 statt, das diktatorische Regime fand ein Ende. 1978 verabschiedete Spanien eine Verfassung und wurde zur konstitutionellen Monarchie.
Nach und nach wurden die von Anhängern Francos besetzten Ämter geräumt. Ein neuer Putschversuch rechter Militärs im Jahr 1981 scheiterte unter anderem daran, dass König Juan Carlos diesem entschlossen entgegen trat. 1982 übernahmen erstmals die Sozialdemokraten die Regierung. Ebenfalls 1982 trat Spanien dem transatlantischen Verteidigungsbündnis Nato bei, 1986 der Europäischen Union.

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