Rio de Janeiro – die Assoziationen sind sonnig: Samba, Lebensfreude, Unbeschwertheit unterm Zuckerhut. Umso verstörender ist der Fall von Moïse. Der Flüchtling aus Kongo wurde am Strand von Rio ermordet, am helllichten Tag, wegen einer Lappalie. Der mutmassliche Grund: Rassismus.
Die Tat löste eine Schockwelle in Brasilien aus. Es gibt landesweite Proteste. Brasilianische Nachrichtensender zeigen Bilder von Tausenden von Menschen, welche harte Strafen für die Mörder und Gerechtigkeit für Moïse fordern. Der Kongolese kam vor über zehn Jahren als Flüchtling nach Brasilien, vor drei Wochen wurde er am Strand von Rio zu Tode geprügelt.
Direkt vor dem Kiosk Tropicália schlugen mehrere Männer mit einer Holzlatte auf den 24-Jährigen ein. Laut Angaben seiner Familie wollte er den Lohn für zwei Tage Arbeit am Kiosk einfordern. Aus ungeklärten Gründen kam es zum Streit.
Ein Opfer alle 23 Minuten
In Brasilien wurde im letzten Jahr laut einem Bericht alle 23 Minuten ein junger schwarzer Mann getötet. Die Verbrechen erregen kaum Aufmerksamkeit, erst recht nicht, wenn die Opfer schwarz sind. Anders ist es im Fall von Moïse Kabagambe.
Sein gewaltsamer Tod hat erstmals seit Langem eine Debatte über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ausgelöst. Die grosse Anteilnahme sei auffallend, sagt Sicherheitsexperte Ignacio Cano von der Landesuniversität UERJ in Rio. «Da ist ein Migrant aus dem Kongo, der nach Brasilien kommt, um Schutz zu suchen. Dann wird er zu Tode geprügelt. Das ist sehr paradox.»
Jetzt zeigt sich: Brasilien ist eine sehr grausame Mutter, man kann hier zu Tode geprügelt werden.
Denn: Brasilien werde gerne als Mutter bezeichnet, die alle willkommen heisst; als ein Einwanderungsland mit einer progressiven Einwanderungspolitik. «Und jetzt zeigt sich: Brasilien ist eine sehr grausame Mutter, man kann hier zu Tode geprügelt werden. Dieses Bewusstsein gibt dem Fall die plötzliche Aufmerksamkeit, deshalb ist das Mitgefühl grösser.»
Es ist vor allem die jüngere Generation, die die Rassismusdebatte fordert, auch weil sie durch ausländische Bewegungen wie «Black Lives Matter» aufgewachsen ist.
Gedenkstätte ist geplant
Rios Stadtverwaltung will nun ein Zeichen setzen und am Tatort eine Gedenkstätte für Moïse errichten. Dafür soll der Strandkiosk in ein kongolesisches Kulturzentrum umgebaut werden. Das ist ein Fortschritt, wenn auch nur ein kleiner.
Jetzt müssten auch alle anderen Tötungen in Brasilien diese Aufmerksamkeit erhalten. Das wäre ein richtiger Fortschritt.