Zum Inhalt springen

Faszinierendes Weltall Bei den Sternenmenschen in der südafrikanischen Halbwüste

Das Ursprungsvolk in Südafrika, die San, hat das Universum schon vor 20'000 Jahren studiert. Heute kombinieren ihre Nachkommen – junge Sternenführerinnen – das alte Wissen mit modernem.

In klaren Nächten, wenn der Himmel über der südafrikanischen Halbwüste Karoo mit Millionen von Diamanten übersät zu sein scheint, versammelt Amy Lee Visagie ein paar Kinder um sich und erklärt ihnen die Wunder des Nachthimmels.

Ich glaube, dass all die Sterne die Seelen unserer Vorfahren repräsentieren.
Autor: Amy Lee Visagie Nachfahrin der San, Sternenführerin

Sie ist eine Nachfahrin des Urvolkes San, gilt heute als eine sogenannte Farbige und fühlt sich mit den Sternen tief verbunden. «Ich glaube, dass all die Sterne die Seelen unserer Vorfahren repräsentieren. Wenn ich sie sehe, fühle ich mich besser.»

Erwachsene spricht nachts mit Gruppe von Kindern im Freien.
Legende: Amy Lee Visagie bei der nächtlichen Sternenkunde im Slum von Carnavon. SRF/Cristina Karrer

«Die Seelen können zwar nicht mit mir sprechen, doch vielleicht sprechen sie durch die Sterne mit mir», sinniert Amy Lee, während sich ihr Blick im Sternenmeer verliert.

Ins Weltall lauschen

Die 23-Jährige ist eine der jungen Sternenführerinnen, deren Ausbildung das Square Array Kilometer (SKA) finanziert hat.

Das SKA ist das weltweit grösste astronomische Programm, das aus Südafrika und Australien ins Universum lauschen wird. In der Karoo-Halbwüste stehen bereits über hundert Radioteleskope.

Satellitenschüsseln bei Sonnenuntergang.
Legende: In der Halbwüste Karoo stehen bereits mehr als 100 Teleskope, um mit ihnen ins Universum zu lauschen. SRF/Cristina Karrer

Sternenführerin Amy Lee lebt in einem Slum ausserhalb der Kleinstadt Carnavon. Dort teilt sie sich eine Blechhütte mit sechs Familienmitgliedern.

Sie ist keine, die klagt. Sie betont die Liebe, die in dieser Hütte spürbar sei, nicht die Hitze von über 40 Grad.

Monatelange Ausbildung zur Sternenführerin

Vom SKA wurde Amy Lee ausgewählt, weil sie schon im Gymnasium auffiel und einen nationalen Wettbewerb für Tourismusvorschläge gewann.

Das Erbe des Urvolks der San

Box aufklappen Box zuklappen
Fels mit alten Felszeichnungen in einer steinigen Wüstenlandschaft unter bewölktem Himmel.
Legende: Das Erbe der San ist überall in der Karoo-Halbwüste verstreut. SRF/Cristina Karrer

Die San wurden bis ins 20. Jahrhundert wie Tiere gejagt. Doch ihr Erbe hat schon mehr als zehntausend Jahre überdauert. Es sind Zeichnungen in Höhlen und Gravuren auf metallhaltigen Steinen. Sie sind in der ganzen Karoo verteilt und erzählen von ihrem Leben und von ihrem Wissen von den Sternen. Wissensträgerin Ana van Weyk betont: «Jede Geschichte hat eine Bedeutung und birgt eine Lehre. Ist der Mond rötlich gefärbt, wird Wind aufkommen. Ein gewisser Stern deutet Regen an, ein anderer das Eindunkeln.»

Die Ausbildung zur Sternenführerin dauerte neun Monate. Die junge Frau muss sich in moderner Astronomie, aber auch im traditionellen Wissen der San auskennen. Mit Ana von Weyk, einer sogenannten Wissensträgerin der San, studiert sie im lokalen Museum.

Zwei Frauen sitzen an einem Tisch in einem Museum.
Legende: Amy Lee (links) und ihre Mentorin, Ana van Weyk im lokalen Museum, wo die San kaum vertreten sind. SRF/Cristina Karrer

Dort ist vor allem die Geschichte der Weissen dokumentiert. Kleider, Fuhrwerke, alte Schreibmaschinen und Uniformen aus dem Zweiten Weltkrieg.

Auf die San weisen lediglich zwei Strausseneier mit einem Loch hin, die das Urvolk früher als Wasserbehälter nutzte und vergraben hat, wie Ana van Weyk ihrer Studentin erklärt.

Unsere Geschichte stirbt aus, wenn niemand darüber redet
Autor: Amy Lee Visagie Nachfahrin der San, Sternenführerin

Amy Lee betont, wie wichtig Menschen wie van Weyk sind. «Unsere Geschichte stirbt aus, wenn niemand darüber redet. Menschen wie sie erhalten unsere Geschichte für kommende Generationen lebendig.»

Aus den Funken des Feuers entstand die Milchstrasse

Von den Geschichten ihrer Vorfahren erzählt auch Amy Lee, wenn sie Touristen in die Nacht mitnimmt. «Die Buschleute brauchten zur Orientierung das Kreuz des Südens, aber auch unsere Galaxie, die Milchstrasse», sagt sie, während sie an einem kleinen Feuer sitzt.

Menschen machen ein kleines Feuer in einer offenen Landschaft bei Nacht.
Legende: Zu Beginn des nächtlichen Ausflugs mit der Sternenführerin Amy Lee wird ein Feuer entzündet in der Halbwüste. SRF/Cristina Karrer

«Sie glaubten, dass ein Mädchen, das für die Männer ein Licht schaffen wollte, die Milchstrasse erschaffen hat, damit diese in der Nacht nach der Jagd wieder zurückfinden. Eines Tages, während das Mädchen beim Feuer sass, nahm es einige Kohlestücke und warf sie hinauf in den Himmel. So, glauben die Buschleute, ist die Milchstrasse erschaffen worden.» 

Dann geht Amy Lee über zur Moderne und zeigt mithilfe des mitgebrachten Teleskops auf einige Planeten, die im Sternenhimmel kaum auszumachen sind, da so viele zu sehen sind.

Der Wind der Karoo pfeift, ein Nachtvogel schreit, während die junge Sternenführerin sprichwörtlich nach den Sternen greift.

Aus dem Leben einer Sternenführerin der San

10v10, 03.01.2025, 21:50 Uhr

Meistgelesene Artikel