Ungarn, vor allem die Hauptstadt Budapest, ist zusammen mit Grossbritannien zum beliebtesten Ort Europas für Filmdrehs geworden – halb Hollywood will im osteuropäischen Land drehen. Es gibt heute fünf grosse Filmstudios in Ungarn.
Entstanden sind sie dank bewaffneter Muskelprotze. Genauer gesagt dank Andy Vajna, dem Ungarn, der in Hollywood Actionfilme wie «Die Hard» und «Rambo» produzierte und so zu Geld und Ruhm kam. 2010 kam Vajna als Filmverantwortlicher der Regierung zurück und förderte die Filmbranche. Viktor Orbáns Regierung sei bis heute Film-freundlich geblieben, sagt Marta Horvath, Chefin des Origo-Studios.
Natürlich spielt Geld dabei eine Hauptrolle: Wer in Ungarn dreht, bekommt von der Regierung 30 Prozent der Produktionskosten zurückerstattet. Solche Zuschüsse sind auch in anderen Ländern üblich, in Ungarn sind sie aber aussergewöhnlich hoch. Es sei in Ungarn sehr einfach, halbe Stadtteile oder Autobahnen für Drehs zu sperren, sagt die Chefin des Filmstudios.
Die Mächtigen aus Politik und Wirtschaft fördern Filme nicht nur, sie sind inzwischen selbst tief eingestiegen ins ungarische Filmgeschäft. Viktor Orbáns engste Vertraute oder Leute aus ihrem Umfeld haben fast alle Studios aufgekauft.
Eines zum Beispiel gehört heute dem Mann, der die PR-Kampagnen des ungarischen Regierungschefs gestaltet. Früher waren die Eigentümer der Filmstudios unabhängig von den Orbán-Kreisen. Jetzt gehen auch fast alle Bauaufträge der Studios, die ständig wachsen, an regierungsnahe Bauherren. Dies alles bestreitet niemand. Viele finden es aber unproblematisch.
Vor allem Orbáns Umfeld verdient am Filmgeschäft
Die Journalistin Yvette Szabo hat fürs regierungskritische Magazin HVG recherchiert, wer am Filmgeschäft in Ungarn verdient. Sie findet es nicht normal, dass es vor allem Orbáns Umfeld ist. «Es kann doch nicht sein, dass wir eine gut laufende, private Industrie haben und dann sind alle wichtigen Spieler – und Profiteure – regierungsnahe Leute.»
Eine Folge davon sei, dass kritische ungarische Filme kaum noch gefördert würden. Denn die Studios, die mit der Regierung verbandelt seien, hätten kein Interesse daran. Sie reservierten alle Plätze für die Grossen aus dem Ausland. Das tun sie natürlich auch, weil es mehr Geld bringt.
Die Regierung ist dort, wo es sich lohnt: Yvette Szabo sagt, das gehe in Ungarn weit übers Filmgeschäft hinaus. «Überall, wo in Ungarn öffentliches Geld drin steckt, installiert die Regierung von Viktor Orbán ihr Nahestehende an Schaltstellen.» Das heutige Ungarn böte viel Stoff für einen Polit-Thriller.