Die Nothilfe der UNO für die Ukraine kostet mehr als 4 Milliarden Dollar. «Glücklicherweise», so der oberste UNO-Nothilfechef Martin Griffiths in einer Videoschaltung mit dem UNO-Sicherheitsrat, «ist die Finanzierungsbereitschaft gross.»
Beim UNO-Spendenaufruf für die Ukraine kamen bisher mehr als 60 Prozent der erforderlichen Mittel zusammen. Ein sehr hoher Wert. Griffiths Hauptsorge ist hingegen, dass es an Hilfsgeldern für andere Krisen fehlt: «Wegen kriegerischer Konflikte, des Klimaschocks, der Corona-Pandemie, der weltweit steigenden Nahrungsmittelpreise, benötigen auch vielerorts sonst immer mehr Menschen humanitäre Hilfe.»
«Bereits muss die UNO ihren Notfonds für Akutkrisen anzapfen», beklagt UNO-Generalsekretär António Guterres: «Doch die 30 Millionen Dollar aus diesem Topf sind ein Tropfen auf den heissen Stein.» Vor allem: Es ist nicht nachhaltig, denn der Nothilfefonds ist bescheiden dotiert.
Die Zahl der Bedürftigen steigt stetig
Das Grundproblem, so Jens Laerke von der UNO-Organisation für humanitäre Hilfe Ocha: «Der durch Russlands Angriff ausgelöste Ukraine-Krieg kommt hinzu zu ohnehin sehr zahlreichen Konflikten.» Die Zahl der Nothilfebedürftigen stieg weltweit auf deutlich mehr als 200 Millionen Menschen. Der Finanzierungsbedarf verdoppelte sich beinahe zwischen 2019 und 2022 – auf 49 Milliarden Dollar.
«Zwar ist», so Jens Laerke, «die Nothilfefinanzierung kein Nullsummenspiel.» Es fehlten nicht einfach in einem Land jene Gelder, die in ein anderes Land flössen. Die globale Spendensumme sei sogar deutlich gestiegen. Bloss: Die Nothilfebedürfnisse steigen eben noch weitaus schneller.
Dieselbe Handvoll Länder sind seit Jahren die Grossspender: Die USA, die EU, einzelne EU-Mitgliedsländer wie Deutschland oder Grossbritannien, Japan oder Kanada. Es ist nachvollziehbar, dass die politische, kulturelle und emotionale Nähe dieser Staaten zur Ukraine dazu beiträgt, dort die Hilfe zu finanzieren.
Es klafft die bisher grösste Finanzierungslücke
Hingegen stehen für Haiti und El Salvador, zwei besonders krasse Beispiele, bloss 11, beziehungsweise 12 Prozent der benötigten Hilfsgelder zur Verfügung. Auch im Falle von Myanmar, Burundi, Kongo oder Moçambique sind es jeweils weniger als zwanzig Prozent. Die Ocha spricht von der bisher grössten Finanzierungslücke. Momentan fehlen 30 Milliarden Dollar.
Generell gilt, so Laerke: «In neuen Konflikten, die viel Medienaufmerksamkeit erheischen, lässt sich die Hilfe gut finanzieren. Schwierig wird es bei sich jahre- und jahrzehntelang hinziehenden Kriegen.» Kriegen, die aus den Schlagzeilen verschwinden – etwa jene in Afghanistan, Syrien oder Jemen.
Gern würde die UNO den Geldgeberkreis vergrössern – auf Staaten, die bisher wenig spendeten, auf Private, auf Grosskonzerne. Doch das ist leichter gesagt als getan: Auch zunehmend wohlhabende Länder wie die arabischen Golfstaaten oder China öffnen ihre Schatullen nur begrenzt. Weshalb die UNO Hilfsprogramme kappen muss: Im Kongo gibt es weniger Notunterkünfte als nötig, im Jemen werden die Lebensmittelrationen gekürzt, im Südsudan die Sekundarschulen für Vertriebene geschlossen, in Jordanien gibt es nur noch ein paar Stunden Strom in Flüchtlingslagern.
Die UNO leistet also weniger, als sie müsste und möchte. Sie schlägt Alarm – nicht ohne, aber nicht mit genügender Wirkung.