Seit über einem Jahr bildet die finnische Aussengrenze zu Russland auch die Aussengrenze der Nato gegen Osten. Moskau hat seither begonnen, Flüchtlinge aus dem Nahen Osten zur über 1300 Kilometer langen Grenze zu transportieren und diese im Sinne einer hybriden Kriegsführung zu instrumentalisieren.
Darauf hat Finnland mit einer Schliessung der Grenzübergänge regiert, und nun will die Regierung auch sogenannte Pushbacks von Asylsuchenden erlauben.
Russland lässt uns mit seiner Politik, die uns destabilisieren möchte, keine Wahl.
Für den finnischen Ministerpräsidenten Petteri Orpo geht es um die nationale Sicherheit des Landes: «Russland lässt uns mit seiner Politik, die uns destabilisieren möchte, keine Wahl», sagte der konservative Regierungschef am Dienstag bei der Vorstellung eines neuen Ausnahmegesetzes für die lange Grenze zu Russland.
Laut diesem Vorschlag, der nun ins Parlament geht, möchte Finnland künftig seine Verpflichtungen zur Entgegennahme von Asylgesuchen an der Grenze aussetzen und Menschen auf der Flucht in Form von sogenannten Pushbacks direkt abweisen können.
Gesetz hebelt die Verfassung aus
Das neue Gesetz, das auch die finnische Verfassung punktuell aushebelt, benötigt im Parlament eine Mehrheit von fünf Sechstel der 200 Abgeordneten. Deshalb müssen für eine Annahme auch die Oppositionsparteien, das bäuerliche Zentrum und die Sozialdemokraten zustimmen.
Wir sehen die Notwendigkeit einer besseren Sicherung ein, wollen aber die Vereinbarkeit mit internationalem Recht noch genauer anschauen.
Diese stellen sich grundsätzlich positiv zur Absicht der Regierung, die Grenze zu Russland besser abzusichern, wie der Zentrumsabgeordnete Anti Kurvinen bestätigt: «Wir sehen die Notwendigkeit einer besseren Sicherung ein, wollen aber die Vereinbarkeit mit internationalem Recht noch genauer anschauen», sagte Kurvinen in einer ersten Reaktion im öffentlich-rechtlichen Radio.
Das ist ein Vorschlag, mit dem alle Beteiligten nur verlieren können: Die Grenzbeamten müssen Entscheide fällen, für welche sie nicht ausgebildet sind und die flüchtenden Menschen verlieren ihre international verbrieften Grundrechte.
Kritik an der Pushback-Möglichkeit kommt von der Vertreterin des UNO-Flüchtlingshilfswerkes UNHCR für die nordischen Staaten, Annika Sandlund. Im finnischen Fernsehen sagte sie: «Das ist ein Vorschlag, mit dem alle Beteiligten nur verlieren können: Die Grenzbeamten müssen Entscheide fällen, für welche sie nicht ausgebildet sind und die flüchtenden Menschen verlieren ihre international verbrieften Grundrechte», betonte Sandlund. Sie fordert deshalb eine Überarbeitung des Vorschlags für das Pushback-Gesetz.
Russland will die Seegrenze verschieben
Damit ist allerdings bei den wachsenden finnisch-russischen Spannungen nicht zu rechnen. Denn Moskau hat bereits auf die vorgeschlagene Verschärfung entlang der Grenze reagiert: So soll gemäss einem gestern Abend verbreiteten Regierungskommuniqué die Seegrenze in der Ostsee zu Finnland einseitig in Richtung Westen verschoben werden.
Dabei verbietet internationales Recht eine solche einseitige Grenzverschiebung ebenso wie das Zurückweisen von Asylsuchenden an der Grenze ohne Prüfung. Finnische Fachleute sprechen deshalb bereits von einer weiteren Eskalation der hybriden Kriegsführung zwischen dem Nato-Mitglied und Russland.
Uns ist bewusst, dass wir mit diesem Gesetz eine Gratwanderung einschlagen. Aber angesichts der Bedrohung durch Russland haben wir keine andere Wahl.
An der Medienkonferenz der finnischen Regierung gestern in Helsinki räumte Innenministerin Mari Rantanen ein, dass das neue Pushback-Gesetz zu neuen Spannungen führen kann.
«Uns ist bewusst, dass wir mit diesem Gesetz eine Gratwanderung einschlagen. Aber angesichts der Bedrohung durch Russland haben wir keine andere Wahl. Ja, wir sind geradezu verpflichtet, deutlich und klar zu agieren», sagte Rantanen, die der rechtsgerichteten Regierungspartei Wahre Finnen angehört.