George Floyd wurde ermordet. Das steht nun fest. Der Polizist Derek Chauvin wurde in Minnesota in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen. Die Hoffnung ist bei vielen gross, dass das Urteil Polizeireformen in den USA zum Durchbruch verhilft. Ein Bundesgesetz gegen Polizeigewalt stehe aber auf wackligen Beinen, sagt USA-Expertin Rebecca Brückmann.
SRF News: Wie bedeutsam ist das Urteil gegen den Polizisten Derek Chauvin Ihrer Meinung nach?
Rebecca Brückmann: In den USA gibt es hohe rechtliche Hürden für die Verurteilung von Polizeigewalt. Nur rund 50 Prozent der vor Gericht gebrachten Fälle von Tötungen durch Polizisten enden überhaupt in einer Verurteilung. Jetzt haben viele Aktivistinnen und Aktivisten die Hoffnung, dass es mit der Verurteilung von Chauvin einen Wendepunkt gibt hin zu einem grösseren Rechtfertigungsdruck für die Polizei und Reformmassnahmen gegen Polizeigewalt.
Sind Reformen denn realistisch?
Die Polizei in den USA ist regional organisiert. Einige Staaten haben bereits Reformgesetze eingebracht oder gar verabschiedet, so etwa Minnesota, der Bundesstaat von George Floyd. Joe Biden hat sich dafür ausgesprochen, dass es bundesgesetzliche Reformen gegen Polizeigewalt geben soll. Es kommt also darauf an, wie die Mehrheitsverhältnisse in dem jeweiligen Staat aussehen und auch, ob der Senat in den USA ein Reformgesetz verabschieden kann.
Eine nationale Reform könnte also schwieriger werden?
Das könnte in der Tat schwieriger werden. Joe Biden hat letztlich drei Mittel. Das eine ist allein schon die Rhetorik. Sie hat viel Symbolwirkung nicht nur auf politische Diskurse, sondern auch auf die Verhaltensweisen der Polizei. Den zweiten Weg, den Joe Biden versucht zu gehen, ist Unterstützung zu finden für ein Bundesgesetz gegen Polizeigewalt.
Es gibt einen Gesetzesentwurf der Demokratischen Partei. Dieser wurde im Repräsentantenhaus mit allen Stimmen der Demokraten, aber ohne Stimmen der Republikaner verabschiedet und hängt jetzt im Senat fest, da dort die Mehrheitsverhältnisse ausgeglichen sind. Ausserdem hätte Biden die Möglichkeit von Executive Orders. Diese spielen sich aber in einem engen Rahmen ab, insbesondere, was Politik mit Budgetauswirkungen angeht. Aber hier könnte man zum Beispiel ein nationales Register für Polizeigewalt ausweiten.
Wo stehen die USA nach diesem Urteil in Sachen Polizeigewalt und Rassismus?
Es ist eine schwierige Frage, ob sich hier tatsächlich etwas Grundlegendes ändert. Die Beweislast im Fall von Derek Chauvin war überwältigend. Man hatte hochauflösendes Videomaterial und fast 40 Zeugen. Der Polizeichef selbst hat sich gegen seinen Angestellten ausgesprochen. Die Obduktion sagte, es war Totschlag.
Die Hürde für eine Verurteilung ist immer noch unglaublich hoch. Die Frage ist jetzt aber, was aus diesem Urteil folgt. Entweder, und da haben viele Aktivistinnen Sorge, ist die Schlussfolgerung: Das Justizsystem funktioniere doch und Reformen seien nicht nötig.
Die Hürde für eine Verurteilung ist immer noch unglaublich hoch.
Andererseits hat Minnesotas Generalstaatsanwalt gesagt, dass dieses Urteil erst der Beginn von Gerechtigkeit sei. Nämlich durch die Rechenschaft, die jetzt abgelegt werden muss. Und, dass es vieler weiterer Schritte bedürfe. Das muss aber im Zusammenspiel passieren zwischen der regionalstaatlichen und der bundesstaatlichen Ebene. Und da wird sich zeigen, ob es genügend Unterstützung für diese Programmatik gibt, zum Beispiel für finanzielle Umverteilungen, für Polizeireform, für Reformen des Wahlrechts.
Das Gespräch führte Hans Ineichen.