Sein Typ ist sie sicher nicht: ökologisch-vegan, ehemalige Aktivistin bei Greenpeace, im gepflegten Rasta-Look auch bei subtropischen Temperaturen. Die 31-jährige Carola Rackete vermiest die Anti-Migrations-Kampagne des italienischen Innenministers Matteo Salvini.
Am 12. Juni rettet die Kapitänin des privaten deutschen Rettungsschiffs «Sea-Watch 3» rund 47 Seemeilen nördlich der libyschen Küste, wohlbemerkt weit in internationalen Gewässern, 42 Migranten aus einem seeuntauglichen Schlauchboot – darunter zwei Babys und zwei schwangere Frauen.
Das Salvini-Dekret kommt auf den Weg
Genau am gleichen Tag verabschiedet die populistische Regierung in Rom das sogenannte «Salvini-Dekret», welches weitere Strafen gegen all jene vorsieht, die Migranten in Seenot retten und nach Italien bringen wollen: bis zu 50'000 Euro Strafe, die Beschlagnahmung des Schiffes und die Festnahme der Besatzungsmitglieder.
Genau zwei Wochen später macht das Carola Rackete – nachdem sie tagein tagaus die 12-Seemeilen-Grenze der Insel Lampedusa entlang kreuzte und vergeblich auf eine Genehmigung zum Einlaufen in einen nach Seerecht «sicheren Hafen» durch die italienischen Behörden wartete.
In Italien nicht willkommen
Matteo Salvini machte der Deutschen klar: Jeder italienische Hafen sei ihr und ihrer Menschenfracht verschlossen. Die «Sea-Watch 3» solle gefälligst wieder Kurs Richtung Libyen nehmen. Dass im bürgerkriegsgeplagten Land aber kein «sicherer Hafen» wartete, darüber sprach sogar offen der italienische Aussenminister.
Die 42 Migranten an Bord der Sea-Watch3 – Minderjährige, Kranke und Schwangere wurden mittlerweile von den italienischen Behörden übernommen – werden für den Innenminister zur roten Linie.
Matteo Salvini will sie nur an Land lassen, wenn europäische Länder die Migranten übernehmen – allen voran die Niederlande, unter dessen Flagge die «Sea-Watch 3» fährt und Deutschland als Sitz der Hilfsorganisation.
Solidarität flammt auf
Gleichzeitig gehen am Donnerstag aus Solidarität mit den seit über zwei Wochen ausharrenden Menschen italienische Parlamentarier an Bord, unter anderem Graziano Delrio vom Partito Democratico.
Zwischen 2015 bis 2018 war er als Transport- und Infrastrukturminister für die Aufnahme von Flüchtlingen und Migranten in italienischen Häfen zuständig. Delrio erklärt, er werde das Schiff erst verlassen, wenn alle Migranten heil festes Land betreten würden.
Offenbar 1040 illegale Grenzübertritte
Gleichzeitig werden in Italien in nur 24 Stunden 220'000 Euro gespendet für die anstehenden Strafverfahren gegen die Kapitänin und ihre Crew. Das italienische Innenministerium veröffentlichte derweil die bisherige Anzahl «rechtswidriger Grenzübertritte» im Monat Juni: 1040 Personen.
Ein Fünftel sind Tunesier, die über den Seeweg nach Lampedusa und Sizilien kommen – fast jeden Tag, in kleinen Fischerbooten, unbehelligt von Matteo Salvini und der italienischen Küstenwache. Für die 42 Migranten auf der «Sea-Watch 3» und ihre Kapitänin aber gelten andere Regeln.