Alles sei innerhalb von 20 Minuten passiert, erzählt Begluk Muberiz. Der Fluss, der eigentlich etwa 30 Meter entfernt vorbeifliesst, rauschte plötzlich meterhoch durch das Erdgeschoss. Der ältere Mann steht vor seinem Haus inmitten von verschlammten Möbeln. «So eine Überschwemmung habe ich noch nie erlebt. Eine Katastrophe», sagt er. Dabei habe er noch Glück gehabt.
Im Nachbarsdorf sind mehrere Menschen bei der Sturmflut vom letzten Freitag ums Leben gekommen, und noch immer werden Leichen geborgen. Ganze Häuser wurden hier weggespült. Sichtbar sind nur noch das Fundament und einzelne Mauerstücke, dazwischen eingedrückte und verschlammte Möbel. Der Zivilschutz sowie das Militär sind vor Ort. Mit Baggern werden das im ganzen Flussbett verteilte Geröll, mitgeschwemmte Baumstämme und Autos entfernt.
Hilfe aus dem Ausland
Bislang wurden landesweit über 20 Tote bestätigt. Internationale Rettungsteams suchen gemeinsam mit den bosnischen Behörden weiterhin nach Vermissten. Neben der EU haben auch die Nachbarländer Hilfskräfte zur Unterstützung geschickt.
Am meisten zu tun gibt es für die Helfenden in der Region rund um die Kleinstadt Jablanica, wo die grösste Opferzahl zu beklagen ist. Das Gebiet ist noch immer schwer zu erreichen. Durch den Regen löste sich hier Geröll aus einem höher gelegenen Steinbruch. Die Steinlawine hat Häuser und Menschen unter sich begraben. Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen gegen die Betreiberfirma aufgenommen. Für den Steinbruch liegt keine Genehmigung vor.
Verschiedene Gründe für die Katastrophe
Es sind die schwersten Überschwemmungen in Bosnien-Herzegowina seit zehn Jahren. Grund dafür waren äusserst heftige Regenfälle. So regnete es innerhalb weniger Stunden so viel, wie normalerweise über drei bis vier Monate verteilt. Diese Menge konnten die ausgetrockneten Böden nach dem langen Sommer nicht aufnehmen. Innerhalb kürzester Zeit entstanden so heftige Sturzfluten.
Hinzu kommen laut Experten und Expertinnen auch menschliche Faktoren. Abholzung und teils illegale Bautätigkeiten hätten ebenfalls ihren Teil zu den Fluten beigetragen. Neben dem menschlichen Leid haben die Überschwemmungen auch Schäden an der Infrastruktur verursacht. Die Verbindung zwischen den Grossstädten Sarajevo und Mostar ist weiterhin nicht passierbar.
Grosse Solidarität
Das Leid der Betroffenen hat im ganzen Land eine Welle der Solidarität ausgelöst. «Die Menschen haben uns Essen und Trinken gebracht», sagt Begluk Mubaraz. Freiwillige hätten ihm geholfen, das Wasser und den Schlamm aus dem Haus zu schaffen.
Auch jetzt packt eine Gruppe junger Männer im Nachbarhaus mit an. Sie sind Fussballfans und aus der Hauptstadt Sarajevo hergekommen. Hier kommen sie schnell voran. Doch bis die Schäden im ganzen Land behoben sind, dürfte es noch lange dauern.