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Food-Upcycling Wie aus Resten neue Lebensmittel entstehen

Nuggets aus Soja-Fruchtfleisch oder Chips aus Biertreber: Immer mehr Firmen kämpfen gegen Lebensmittelverschwendung.

In einer ehemaligen Schokoladenfabrik am Stadtrand von Bern kämpft das Start-up Luya gegen die Verschwendung von Lebensmitteln. Aus Kichererbsen und Okara entsteht hier ein neues Produkt. Okara? Die Zutat ist bislang wenig bekannt und wird auch in der Industrie oft als Abfall behandelt.

Es ist ein Nebenprodukt der Herstellung von Tofu oder Sojamilch: Sojabohnen werden gepresst, der flüssige Teil wird weiterverarbeitet. Übrig bleibt das Fruchtfleisch der Sojabohne – Okara.

«Wir wollten einen Weg finden, solche Nebenströme aus der Lebensmittelindustrie weiterzuverwenden», sagt Nina Schaller, Co-Geschäftsführerin. Denn das Okara enthält noch viele Nährstoffe. Bei Luya wird es mit Kichererbsen gemischt, dann kommt ein Pilz hinzu, das Ganze wird fermentiert und zu Nuggets geschnitten. Es entsteht eine «gesunde Alternative zu Fleisch – und nichts Hochverarbeitetes», wie Schaller sagt.

Upcycling allein löst das Problem nicht

Ein Drittel aller essbaren Lebensmittel geht in der Schweiz verloren, bevor sie überhaupt auf einem Teller landen. Der Bund will die Lebensmittelverschwendung bis ins Jahr 2030 halbieren (siehe Box).

Der Aktionsplan des Bundes gegen Foodwaste

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Rund 2.8 Millionen Tonnen Lebensmittel werden jedes Jahr unnötig weggeworfen, weil die Schweizerinnen und Schweizer sie nicht konsumieren. Das sind pro Kopf 330 Kilogramm. Der grösste Teil fällt im Inland an – in der Landwirtschaft, dem Detailhandel oder in den Haushalten. Zu viel, findet der Bund, und hat im Frühling 2022 den «Aktionsplan gegen Lebensmittelverschwendung» lanciert. Damit soll die Verschwendung bis 2030 halbiert werden im Vergleich zum Jahr 2017. Massnahmen sind u. a. Aufklärung der Bevölkerung, bessere Planung bei der Produktion, optimierte Verpackungsgrössen oder Spenden von nicht mehr verkäuflichen Lebensmitteln an gemeinnützige Organisationen. Noch beruht alles auf Freiwilligkeit. Nächstes Jahr erfolgt eine Auswertung. Sind die bisherigen Massnahmen ungenügend, sind weitere Schritte denkbar – bis hin zu verpflichtenden Vorgaben.

Food-Upcycling könne dabei helfen, sagt Nadina Müller. Sie ist Professorin für Lebensmitteltechnologie an der ZHAW in Wädenswil. «Rund 35 Prozent der Lebensmittelverluste passieren bei der Verarbeitung. Hier kann man also sicher etwas bewegen», sagt sie. Allerdings brauche es neben Upcycling auch vorgelagerte Massnahmen. «Kartoffeln, die verschimmeln, kann man beispielsweise nicht einfach weiterverwenden.»

Die Brauerei Locher in Appenzell experimentiert seit Jahrzehnten mit Food-Upcycling. Heute entsteht dort eine ganze Reihe an Produkten durch Upcycling: von Chips über Fertigpizzas bis hin zu veganem «Ghackets».

Bis Upcycling rentiert, dauert es

Basis all dieser Produkte ist der Biertreber, ein Rest, der bei der Aufbereitung von Malz zurückbleibt. Die meisten Brauereien geben den Treber weiter an die Landwirtschaft, wo er als Tierfutter endet.

«Mit unseren Produkten kommen wir seit letztem Jahr finanziell auf eine schwarze Null», sagt Geschäftsführer Aurèle Meyer. Dass sie schweizweit in den Coop-Filialen verkauft werden, war mitentscheidend. Der Vertrieb über die eigenen Kanäle und kleinere Läden reichte nicht aus. Die ganzen Entwicklungskosten für die Produkte sind mit der «schwarzen Null» noch nicht gedeckt.

Haltbarkeit als Herausforderung

Und das ist nicht die einzige Herausforderung. «Bei uns fallen pro Tag bis zu 35 Tonnen Biertreber an», sagt Meyer. Noch kann die Brauerei Locher nicht alles weiterverarbeiten. Ein Grund: die Haltbarkeit.

Bei Nebenströmen, die nass anfallen – wie Okara oder Biertreber – sei das eine Herausforderung, sagt Nadina Müller von der ZHAW. «Man muss diese Nebenströme sehr schnell verarbeiten, damit sie nicht verderben.»

Die Brauerei Locher kann dank neuer Technologie ihren Biertreber seit kurzem haltbar machen. «Bis Ende 2025 wollen wir dann unseren gesamten Biertreber weiterverarbeiten», sagt Aurèle Meyer.

Und auch bei Luya gehen die Ideen nicht aus. «Wir halten ständig Ausschau nach weiteren Nebenströmen, die wir mit unserer Technologie weiterverarbeiten können», sagt Co-Geschäftsführerin Nina Schaller. Heisser Kandidat: Der Presskuchen, der bei der Herstellung von Sonnenblumenöl anfällt.

10vor10, 13.09.2024, 21:50 Uhr;kobt

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