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FPÖ gewinnt Wahl in Österreich Historischer Sieg für Herbert Kickl

Die rechtspopulistische FPÖ hat das beste Resultat erzielt, seit sie 1956 zum ersten Mal bundesweit zu einer Wahl angetreten ist. Ihr Parteichef Herbert Kickl hat das Wahlresultat von Jörg Haider 1999 sogar noch übertroffen. Und zum ersten Mal in der Geschichte des modernen Österreichs gewinnen die Freiheitlichen eine Parlamentswahl.

Koalition der Verlierer

Die Kanzlerpartei ÖVP liegt abgeschlagen auf Rang 2. Die Sozialdemokraten erzielen ihr schlechtestes Resultat überhaupt. Wie historisch das Resultat ist, zeigt die Tatsache, dass die Gründungsparteien des modernen Österreichs, ÖVP und SPÖ, wahrscheinlich nur hauchdünn eine Mehrheit erreichen werden.

ÖVP, SPÖ und Neos werden aller Wahrscheinlichkeit versuchen, eine Dreierkoalition zu bilden. Denn keine dieser Parteien will Kickl als Kanzler und Kickl selbst wird seinen Anspruch auf das Kanzleramt nicht aufgeben. Das wird ein schwieriges Unterfangen werden und kann sich leicht bis Weihnachten hinziehen, zumal in verschiedenen Bundesländern in den nächsten Monaten gewählt wird.

Es wird auch deshalb schwierig, weil der Stuhl des ÖVP-Chefs und bisherigen Bundeskanzlers Karl Nehammer wackelt. Er hat den Wahlkampf zu einem direkten Duell mit Kickl stilisiert und verloren. Und noch mehr wackelt der Stuhl des sozialdemokratischen Parteichefs Andreas Babler. Wer wird also seitens der ÖVP und SPÖ die Verhandlungen führen? Und wie stabil wird einer Dreierkoalition sein, siehe Ampelkoalition in Deutschland?

Affront der Freiheitlichen

Wenige Stunden vor der Wahl haben sich die Freiheitlichen noch einen Affront geleistet. Am Begräbnis eines verstorbenen FPÖ-Politikers wurde ein SS-Treuelied angestimmt, dabei waren führende Spitzenpolitiker der Freiheitlichen. Die Veranstaltung geschah im Umfeld rechtsextremer Burschenschaften, die eine durchaus wichtige Rolle in der FPÖ spielen.

Pech für Kickl. Er ist zwar ein Rechtspopulist, gehört aber nicht zu diesem Milieu. Dennoch muss sich die Partei als Ganzes diesen Affront anrechnen lassen. Das schadet Kickl und seinen Regierungsambitionen enorm.

Zu Recht: Was sich die FPÖ 48 Stunden vor der Wahl geleistet hat, war eine Frechheit und dass man sich so etwas in Österreich kurz vor der Wahl leisten kann, ist ein starkes Stück. Österreicher gehörten zu den wichtigsten Kriegsverbrechern des Dritten Reichs. In anderen Ländern wäre man da politisch weg vom Fenster.

Kickls Kalkül

Kickl wird sich als Opfer darstellen, als Wahlsieger, der um den Sieg betrogen wird. Und er wird darauf hoffen, dass eine Dreierkoalition der Verlierer nicht stabil sein wird, und dass es an der FPÖ bei der nächsten Wahl kein Vorbeikommen geben wird.

Die FPÖ, das zeigt einmal mehr der Vorfall mit dem SS-Treuelied, ist eine schillernde Partei, die wie ein Chamäleon immer wieder anders auftritt: Mal als normale, nationalkonservative Partei, mal als Partei, die nach dem Vorbild des ungarischen Premiers Viktor Orban eine teilweise illiberale Demokratie anstrebt. Sie ist legal, aber nicht vertrauenswürdig.

Peter Voegeli

Korrespondent in Wien

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Peter Voegeli berichtet aus Wien über die Parlamentswahlen in Österreich. Der langjährige SRF-Korrespondent (Rom, Berlin und Washington) und Moderator des «Echo der Zeit» ist studierter Historiker. Von 1995 bis 2005 arbeitete er als Korrespondent für Schweizer Printmedien in Bonn und Berlin.

Echo der Zeit, 29.09.2024, 18 Uhr

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