Fünf Jahre ist es her, dass die muslimische Minderheit der Rohingya aus Myanmar vertrieben wurde. Die meisten von ihnen leben unter prekären Umständen in einem der weltweit grössten Flüchtlingslager bei Cox's Bazar in Bangladesch. Sabrina Mayoufi von Solidar Suisse hat das Lager kürzlich besucht. Eine Rückkehr der Rohingya zeichnet sich nicht ab.
SRF News: Wie sind Ihre Eindrücke von dem Flüchtlingscamp?
Sabrina Mayoufi: Ich habe eine sehr traurige und sehr dramatische Lage erlebt. Sie müssen sich vorstellen, dass der Ort, an dem die Flüchtlinge sind, dreimal so gross ist wie Zürich. Cox's Bazar ist in 34 Lager unterteilt, die alle mit Stacheldraht umzäunt sind und von Wachtürmen umgeben werden. Mit anderen Worten: Die Menschen, darunter viele Frauen und Kinder, leben dort dicht gedrängt, wie in einem Freiluftgefängnis.
Sie haben die Menschen besucht. Was haben sie Ihnen erzählt?
Sie haben uns erzählt, dass die Situation sehr schwer ist. Dass ihnen die Hoffnung fehlt. Sie wollen sich selbst helfen können und etwas tun, das ihnen Hoffnung gibt und Möglichkeiten, ein besseres Leben zu leben. Sie sind schon fünf Jahre dort und ein Ende ist nicht abzusehen. Dennoch wird in einem sehr komplexen Umfeld das Maximum getan. Der Bedarf ist sehr gross und viel wurde schon gemacht. Aber noch viel ist zu tun.
Die Regierung von Bangladesch hat Solidar Suisse gewisse Einschränkungen auferlegt bei der Hilfe. Welche sind das?
Die Behörden wollen nicht, dass die Flüchtlinge sich niederlassen und erwarten, dass sie so schnell wie möglich nach Myanmar zurückkehren. Sie lassen Organisationen wie unsere nur kurze Projekte einführen. Doch auch damit können wir arbeiten und etwas Hilfe bringen.
Wie schwierig ist die Arbeit von Solidar Suisse vor Ort?
Es ist schwierig, aber es ist nötig. Es gibt viele Organisationen, die dort arbeiten, aber gleichzeitig gibt es so viel zu tun, dass Kontrollen nötig sind. Die gesamte Hilfe wird von der Regierung, den Gebern, den UNO-Organisationen und uns selbst sehr streng überwacht.
Können Sie einige Projekte vorstellen?
Wir haben Unterkünfte renoviert, um ihre Stabilität zu verbessern und angemessenen Lebensraum zu schaffen. Wir haben auch die Ernährungssicherheit der Flüchtlinge verbessert, zum Beispiel haben wir ihnen geholfen, ihre eigenen Gemüsegärten anzulegen. Während der Pandemie halfen wir auch direkt mit Bargeldtransfers, damit sie das Lebensnotwendige für sich und ihre Familien bekommen konnten.
Angesichts der enormen Bedürfnisse ist jede Intervention ein Segen.
Kritische Stimmen sagen, nach fünf Jahren müsste eigentlich mehr gemacht worden sein. Sie sagen, die Situation ist schwierig. Trotzdem: Wie gehen Sie mit der Kritik um?
Angesichts der enormen Bedürfnisse ist jede Intervention ein Segen. Und vieles ist noch zu tun, wir können den Leuten noch viel Hoffnung bringen. Mit kleinen Interventionen können wir viel bewirken. Und obwohl nur kurzfristige Massnahmen zulässig sind, kann eine Starthilfe zum Beispiel für den Lebensunterhalt, die einem Familienmitglied gewährt wird, der gesamten Familie dauerhafte und würdige Unterstützung bieten.
Werden die Rohingya jemals wieder nach Myanmar zurückkehren können?
Es kann nicht so weitergehen, aber gleichzeitig können sie nicht zurück. Es wird sicher für noch einige Jahre so bleiben, bis die Regierung vielleicht Mitleid hat mit den Flüchtlingen und ihnen erlaubt, dass sie mit der Bevölkerung zusammenleben. Aber sicher braucht dies Zeit. Sie wollen erst sehen, ob sie zurückgehen können. Aber alle wissen, dass das noch nicht möglich ist.
Das Gespräch führte Adam Fehr.