- Die Aussenminister der EU-Staaten haben sich auf Bedingungen für eine beschränkte Zusammenarbeit mit den militant-islamistischen Taliban in Afghanistan verständigt.
- Das Vorgehen soll möglichst schnell wieder Entwicklungshilfe ermöglichen, um eine humanitäre Katastrophe und Fluchtbewegungen in Richtung Europa zu verhindern.
- Die Taliban sollen dafür eine Regierung bilden, die möglichst viele Bevölkerungsteile abbildet und unkomplizierte Hilfslieferungen ermöglicht.
Zudem sind sie aufgefordert, die Einhaltung von Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit zu gewähren, schutzbedürftigen Menschen die Ausreise zu garantieren und dafür zu sorgen, dass Afghanistan nicht wieder zu einer Basis für international operierende Terrorgruppen wird.
«Wir sind uns hier sehr einig gewesen, dass Europa in der Afghanistan-Krise eine Rolle spielen muss und auch eine Rolle spielen wird», kommentierte der deutsche Aussenminister Heiko Maas am Freitag nach den EU-Beratungen in Slowenien. Um eine bereits im kommenden Winter drohende «humanitäre Katastrophe» zu verhindern, müsse man nun schnell handeln. «Ich glaube, es macht sich niemand Illusionen darüber, dass das, was für uns wichtig ist, in den nächsten Tagen alles zu 100 Prozent erfüllt wird», sagte Maas weiter.
Maas hatte den Taliban bereits am Donnerstagabend in Aussicht gestellt, dass Deutschland die derzeit gestoppten Entwicklungshilfe-Zahlungen für Afghanistan unter bestimmten Bedingungen wieder aufnehmen könnte. Insgesamt könnte das Land damit auch in diesem Jahr rund 430 Millionen Euro aus Deutschland erhalten.
EU-Staaten wollen gemeinsam auftreten
Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell betonte am Freitag, bei den geplanten Kontakten mit den Taliban gehe es um ein «operatives Engagement», das in Abhängigkeit vom Verhalten zunehmen könne – und nicht um politische Anerkennung. Nach Angaben von Borrell verständigten sich die EU-Staaten auch darauf, ihre Kontakte mit den Taliban untereinander zu koordinieren. Dazu soll es auch eine gemeinsame Präsenz der Europäischen Union in Kabul geben, wenn es die Sicherheitsbedingungen zulassen.
Mit den Nachbarländern Afghanistans soll laut Borrell verstärkt über die Steuerung von Flüchtlingsbewegungen und die Bekämpfung von Terrorismus sowie Drogen- und Menschenhandel gesprochen werden. Dazu wird den Planungen zufolge eine neue politische Plattform initiiert. «Niemand hat ein Interesse daran, dass die ganze Region destabilisiert wird, dass es eine neue humanitäre Katastrophe in Afghanistan gibt und vor allen Dingen auch, dass Afghanistan wieder zu einem Hort von terroristischen Gruppen wird», kommentierte Maas.
Uneinigkeit bei Asylfrage
Weiter offen ist, ob es von der EU konkrete Aufnahmezusagen für fluchtwillige Afghanen geben wird. Österreichs Aussenminister Alexander Schallenberg sprach sich bei dem Treffen in Slowenien erneut klar dagegen aus. Der luxemburgische Aussenminister Jean Asselborn kritisierte hingegen, manche Regierungen in der EU glaubten, Europa könne nur bestehen, wenn es so wenig wie möglich Flüchtlinge habe. «In dieser Situation müssen wir bereit sein, den Menschen in Afghanistan zu helfen, die um ihr Leben kämpfen», sagte er. Europa müsse selbstverständlich Menschen aufnehmen.