- Kurz vor dem Start der Fussball-Weltmeisterschaft in Katar hat Fifa-Präsident Gianni Infantino an einer bemerkenswerten Pressekonferenz für Irritationen gesorgt.
- Infantino wies dabei jegliche Kritik an der Fussball-WM zurück und stellte sich hinter das umstrittene Gastgeberland.
- Die Vorwürfe bezeichnete er als «einseitige Moralpredigt und reine Heuchelei».
Einen Tag vor dem Eröffnungsspiel zwischen Katar und Ecuador am Sonntag holte der Fifa-Chef in einem einstündigen Monolog zu einem Rundumschlag gegen die Presse aus. «Es fällt mir wirklich schwer, diese Kritik zu verstehen», sagte Infantino, sie sei «zutiefst ungerecht».
So seien etwa Verurteilungen aus der westlichen Welt vor dem Hintergrund der eigenen Geschichte unangebracht. «Für das, was wir Europäer in den vergangenen 3000 Jahren getan haben, sollten wir uns für die nächsten 3000 Jahre entschuldigen, bevor wir anfangen, den Menschen moralische Lektionen zu erteilen», sagte Infantino.
Katar steht seit Jahren wegen des schlechten Umgangs mit Menschenrechten, den Lebensbedingungen für ausländische Arbeiter sowie wegen fehlender Rechte für Frauen und die LGBTQ-Gemeinschaft massiv in der Kritik. Infantino drückte seine Unterstützung für diese Gruppen aus.
«Heute fühle ich mich katarisch, heute fühle ich mich arabisch, heute fühle ich mich afrikanisch, heute fühle ich mich schwul, heute fühle ich mich behindert, heute fühle ich mich als Gastarbeiter», sagte der Schweizer. Jeder und jede seien herzlich willkommen: «Wenn jemand was anderes sagt, ist das nicht die Haltung des Landes – und es ist nicht die Haltung der Fifa», ergänzte er.
Homosexualität sei in Katar zwar verboten, aber das sei in europäischen Ländern auch lange so gewesen, argumentierte Infantino und verwies auf einen laufenden Entwicklungsprozess. Er habe die klare Zusicherung bekommen, dass «jeder und jede, alle» zur WM in Katar willkommen seien. Einer der lokalen WM-Botschafter hatte zuletzt in einer Dokumentation des ZDF Schwulsein als «geistigen Schaden» bezeichnet. Das sei nicht «die Haltung des Landes», sagte Infantino, ohne konkret auf die Äusserung einzugehen.
Eine klare Aussage, ob die Kapitäne der WM-Teilnehmer eine Armbinde in den für die LGBTQ-Community symbolträchtigen Regenbogenfarben tragen dürften, vermied Infantino. Die Fifa sei etwas «Universales, und wir müssen Themen finden, mit denen sich jeder identifizieren kann», sagte er.
Medienberichte über angeblich «gekaufte» Fan-Paraden im Vorfeld der WM-Endrunde bezeichnete Infantino in seinen Ausführungen ausserdem als fremdenfeindlich. «Das ist Rassismus, purer Rassismus – das muss aufhören. Jeder in der Welt hat das Recht, für wen auch immer zu sein», sagte er und fragte: «Kann jemand, der wie ein Inder aussieht, nicht für Deutschland oder Spanien sein?»