Kein anderer der Staats- und Regierungschefs steht auf dem G7-Gipfel in Biarritz so sehr unter Beobachtung wie der neue britische Premierminister Boris Johnson. Es ist seine Premiere im Kreis der grössten westlichen Industriemächte. Er versucht, nicht nur als hemdsärmeliger Brexit-Premier aufzutreten, sondern betont, Grossbritannien werde eine verantwortungsbewusste und solidarische Macht bleiben.
Das Augenmerk richtet sich auf jedes Wort, jede Geste von Premierminister Boris Johnson – bei den britischen Medien, aber auch weit darüber hinaus. Und nicht zuletzt bei den übrigen Staats- und Regierungschefs. Johnson ist sich dessen bewusst. Er vermied bisher die von ihm bekannten Peinlichkeiten und Provokationen. Zwar lieferte er sich mit EU-Ratspräsident Donald Tusk einen Schlagabtausch, wer denn Schuld wäre an einem vertragslosen Austritt Grossbritanniens aus der Europäischen Union, wer der "No-Deal-Man" wäre.
Dann betonte er aber, Grossbritannien wolle weiterhin international zusammenarbeiten, gerade auch mit den Europäern: Die Waldbrände am Amazonas, die Artenvielfalt, die Schulbildung in armen Ländern, die Freihandelsordnung – all das seien weiterhin auch britische Kernanliegen, für die er sich einsetzen wolle. Er sehe in diesen Fragen auch kaum Differenzen.
Zu Donald Trump hingegen, den man hier als natürlichen Partner des Brexit-Premiers sieht, da er nichts hält von der EU, ging Johnson ein wenig auf Distanz. Er fordert, die USA müssten Kompromisse eingehen für einen Freihandelsvertrag mit Grossbritannien. Und will so den Eindruck zerstreuen, er hänge an Trumps Rockschössen. Die eigentliche Herausforderung für Johnson ist indes der bilaterale Gesprächstermin mit dem US-Präsidenten – da muss er zeigen, ob er eher auf der Seite der europäischen Partner steht oder jener der Vereinigten Staaten.