Die Inflation ist weltweit zunehmend ein Problem. Zunächst wurde vieles wegen der Corona-Pandemie teurer, jetzt heizt auch noch der russische Angriff auf die Ukraine die Preise für Energie und Grundnahrungsmittel an. Ein Land, das seit langem unter Geldentwertung leidet – und in besonderem Masse auch jetzt –, ist Argentinien. Darüber weiss SRF-Mitarbeiterin Karen Naundorf mehr.
SRF News: Wie wirkt sich der Krieg in der Ukraine auf Argentinien aus?
Karen Naundorf: Auch in Südamerika sind die weltweiten Preisanstiege zu spüren. Insbesondere importierte Lebensmittel und Treibstoff werden teurer. In Argentinien war die Geldentwertung schon vor dem Krieg in der Ukraine ein Problem, doch jetzt hat sie nochmals angezogen auf eine aktuelle Jahresteuerung von mehr als 50 Prozent.
Was bedeutet das für die Menschen in Argentinien?
Einige Beispiele zur Veranschaulichung: Der Einkauf für ein einfaches Frühstück kostete im vergangenen Dezember noch rund 1000 Pesos oder umgerechnet neun Franken. Jetzt kostet derselbe Einkauf 1600 Pesos, fast 14 Franken.
Für die Ärmsten ist die Situation ein Albtraum.
Eine neue Studie kommt ausserdem zum Schluss, dass die Mieten innert Jahresfrist um durchschnittlich 57 Prozent gestiegen sind. Die meisten neuen Mietverträge sehen deshalb vor, dass die Wohnungsmiete jedes halbe Jahr ansteigt – meist um etwa 30 Prozent. Also Folge dieser Preisexplosion leben inzwischen mehr als 40 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Für sie ist diese Situation ein absoluter Albtraum.
Welche Massnahmen gegen die Inflationsspirale trifft die Regierung?
Seit Jahren wird darüber diskutiert, wie die Inflation in Argentinien in den Griff zu bekommen ist. Doch niemand hat bisher ein Rezept gefunden. Immerhin: Es gibt unmittelbare Massnahmen der Regierung, etwa die Fixierung der Preise von Grundnahrungsmitteln oder zusätzliche Unterstützungen für besonders arme Familien – von denen inzwischen rund vier Millionen Menschen in Argentinien profitieren. Hinzu kommen von der Regierung finanzierte Suppenküchen.
Helfen diese Massnahmen tatsächlich?
Es sind dies palliative Massnahmen für die Ärmsten, ihnen helfen sie durchaus. Doch bis zu 40 Prozent der Menschen in Argentinien arbeiten schwarz, ohne Arbeitsverträge und damit ohne Anpassung der Löhne an die Teuerung.
Auch bei einem Arbeitsvertrag liegt der Lohnanstieg unterhalb der Teuerung.
Wer dagegen einen Arbeitsvertrag hat, dem wird immer wieder auch der Lohn angepasst. So erreichten etwa Bauarbeiter kürzlich eine Lohnerhöhung von 55 Prozent, Postangestellte 45 Prozent oder Angestellte im Transportwesen 22 Prozent. Der Lohnanstieg liegt also durchwegs unterhalb der Inflationsrate. Ausserdem heizt die Anhebung der Löhne ihrerseits auch wieder die Teuerung an – es dreht eine Preisspirale, die kaum zu durchbrechen ist.
Argentinien hat seit Jahren eine hohe Inflation – glauben die Menschen überhaupt noch daran, dass sie jemals gestoppt werden kann?
Es rechnet wohl niemand damit, dass die Inflation von einem Tag auf den anderen beendet werden kann. Dabei sitzt vielen Argentiniern immer noch das Schreckgespenst einer Hyperinflation im Nacken: 1989/1990 stiegen die Preise um 3000 Prozent.
Eine Besserung ist vorerst nicht in Sicht.
Es herrscht derzeit also eine gewisse Resignation vor im Sinne von: Immerhin ist es nicht so schlimm wie damals. Doch niemand weiss, ob es nicht wieder dazu kommt. Denn die Regierung hat kein Rezept, die Weltkonjunktur ist schwierig – eine Besserung ist vorerst also nicht in Sicht.
Das Gespräch führte Sandro Della Torre.