Selten hat ein virtuelles Vorhaben so viel angerichtet wie die Gasumlage – im Wirtschaftsministerium ersonnen, um die in Nöte geratenen Gasimporteure vor der Pleite zu retten. Sie stand von Anfang an in der Kritik. Dass nur Gaskunden – oft Geringverdiener und -verdienerinnen – zahlen sollten, galt als ungerecht.
Dann zeigte sich: Bei den Unternehmen würden auch Trittbrettfahrer profitieren. Handwerkliche Fehler musste sich Wirtschaftsminister Robert Habeck vorwerfen lassen und mehrmals nachbessern. Nach der Staatsübernahme von Uniper kamen noch verfassungsrechtliche Fragen dazu.
Erst alle dafür – jetzt alle dagegen
Habeck wollte mit der Umlage systemrelevante Unternehmen retten. Er kam unter Druck von allen Seiten, auch von seinen Regierungspartnern. Sie hiessen das Vorhaben erst gut, aber zuletzt zeigten alle auf Habeck.
Schliesslich machte auch Finanzminister Lindner den U-Turn. Er war lange für die Umlage, weil er sich davon Entlastung für die Staatskasse erhoffte.
Am Ende diente sie ihm wohl für einen Deal: Verzicht auf die Gasumlage gegen Verlängerung der AKW-Laufzeiten. All das medienwirksam vorgetragen. Aus Fehlern lernen, ist eine Stärke. Aber hier wird viel taktiert. Inzwischen möchten alle die Umlage möglichst elegant loswerden.
Einer rennt, einer blockt, einer schweigt
Es lässt sich gut beobachten, wie die Ampel tickt. Die Protagonisten sind der grüne Wirtschaftsminister Habeck, der gelbe FDP-Finanzminister Lindner und der rote Kanzler Olaf Scholz (SPD).
Habeck holt in der Krise die Kohle aus dem Feuer. Er bewegt sich: Rennt etwa für Handel ins autoritäre Katar, verschiebt zu Hause das politisch Denkbare und schafft es, seine Grünen dabei mitzunehmen.
Lindner beharrt auf der Schuldenbremse, so, als sicherte sie ihm das politische Überleben – auch vor der Kulisse sinkender Zustimmungswerte der FDP im Wahlkampf in Niedersachsen. Lindner beantwortet explodierende Kosten und Staatsausgaben stets mit der Schuldenbremse.
Kanzler Scholz schweigt. Sein Kommunikationsstab scheint spezialisiert auf eingängige Worte, wenn ein Entscheid vorliegt: Bazooka, Zeitenwende und «You’ll never walk alone». Doch sonst allergrösste Zurückhaltung. Am Ende findet sich eine Lösung, aber zuvor oft das gleiche Spiel: Einer rennt, einer blockt, einer schweigt.
Verunsicherung und Ärger
Dass in einer Dreiparteienregierung unterschiedliche Meinungen aufeinandertreffen – geschenkt. Dass diese Meinungen auch nach aussen getragen werden, kann wertvoll sein, ja sogar überlebenswichtig für die Regierungsparteien.
In der Politik wird nun mal um Ideen gerungen, das darf man sehen. Es ist den einstigen Volksparteien CDU und SPD nicht gut bekommen, dass in der Grossen Koalition kaum zu unterscheiden war, wer für welche Vorhaben stand.
Ganz klar: Die Herausforderung ist gewaltig, doch dieser aktuelle Disput auf offener Bühne wirkt unpassend. Selten war die Verunsicherung bei Bevölkerung und Wirtschaft so gross. Wo Existenzängste den Schlaf rauben, fehlt das Verständnis für politischen Zwist. Die Menschen sind irritiert und verärgert.
Ob die Gasumlage kommt, ist kurz vor ihrer geplanten Einführung noch immer nicht klar. Aber selbst, wenn es zur Vollbremsung in allerletzter Sekunde kommen sollte: Die Gefahr eines nachhaltigen Schleudertraumas ist gross.