- Wegen der geplanten Rentenreform der französischen Regierung streikten in Frankreich laut dem Innenministerium über 1.1 Millionen Menschen.
- Von den Streiks betroffen waren das Zugsystem, der Flugverkehr, die Stromproduktion, Raffinerien, Schulen und Spitäler.
- Bei der Rentenreform handelt es sich um das wohl wichtigste Vorhaben der Regierung.
«Wir wollen leben, nicht nur überleben» singen als Skelette geschminkte Demonstrantinnen in Paris beim Protest gegen die geplante Rentenreform der französischen Regierung.
Landesweit und branchenübergreifend streikten und protestierten die Gegner des wohl wichtigsten Vorhabens der Regierung, nachdem Gewerkschaften dazu aufgerufen haben. Die Menschen legten einen Teil des Zugsystems und des Flugverkehrs lahm, drosselten die Stromproduktion, bestreikten Raffinerien sowie Schulen und Krankenhäuser.
Über 1.1 Millionen Menschen haben landesweit gegen die Rentenpläne protestiert. Das teilte das französische Innenministerium mit. Die Gewerkschaften sprachen von einer Beteiligung von über zwei Millionen Menschen bei den mehr als 200 Protesten.
Für die Gewerkschaften ist der Reformplan brutal und ungerecht. Viele Demonstrantinnen und Demonstranten in Paris sprechen sich vor allem gegen die längere Arbeitszeit aus. «Ich sehe mich im Alter von 64 Jahren nicht hinter Kindern herrennen», sagt die 57-jährige Adekoya, die mit Kleinkindern arbeitet.
Die 49-jährige Sylvie aus dem Pflegebereich erzählt: «Meine Kollegen sind schon überall kaputt. Die Schultern, der Rücken, alles ist abgenutzt. Es wird für uns schon schwierig sein, bis 62 durchzuhalten.»
Für die Regierung notwendig
Die Regierung hält das Vorhaben aber für notwendig, begründet es damit, dass das jetzige System sich langfristig nicht finanzieren lasse. Immerhin gebe es in der alternden Bevölkerung immer weniger einzahlende Arbeitnehmer pro Rentner.
Wirtschaftsminister Bruno Le Maire sagte, das aktuelle System würde im Jahr 2030 ein Minus von 13.5 Milliarden Euro angehäuft haben. Auch Regierungssprecher Olivier Véran betonte: «Das ist keine aufrechterhaltbare Situation, weil sie uns kollektiv in Gefahr bringt.»
Im Parlament kann die Regierung wohl auf die Unterstützung der Konservativen setzen. Ob der Gegenwind von der Strasse, ihr einen Stein in den Weg legen wird, bleibt abzuwarten. Die Gewerkschaften wollen, dass die Bewegung anhält, es verlängerbare Streiks gibt.
Erwartbare Kritik
Die heftige Kritik an der Reform war erwartbar. Bereits in seiner ersten Amtszeit hatte Macron das Rentensystem reformieren wollen. Wochenlang gab es Streiks gegen das Vorhaben, das letztlich wegen der Corona-Pandemie verschoben wurde.
Man sagt, es gibt die Gefahr eines Stillstands, aber es liegt nicht an uns, es liegt an ihnen.
Nun gibt sich die Regierung betont entspannt, versichert, die Sorgen ihrer Bevölkerung hören zu wollen, ruft die durchaus Streikfreudigen aber auch dazu auf, nicht zu blockieren. «Man sagt, es gibt die Gefahr eines Stillstands, aber es liegt nicht an uns, es liegt an ihnen», sagt die 68-jährige Françoise Lemaulf.
«Was wir letztlich wollen, ist sozialer Fortschritt», sagt die Forscherin und Gewerkschafterin Lou Chenier. Die 37-Jährige, die Teil der Skelett-Tanztruppe ist, meint: «Die Rente sollte ein Moment der Ruhe und der Pause sein und nicht ein Sterbeheim.»