Emmanuel Macron hat es sich zum grossen Ziel gemacht, das Rentensystem zu reformieren. Zu Beginn seiner ersten Amtszeit wollte er das System noch komplett umkrempeln und eine Erhöhung des Rentenalters taxierte er damals als unfair.
Bald änderte Macron die Meinung und begann das aktuelle System zu reformieren. Sein erster Reformversuch wurde 2019 mit Generalstreiks beantwortet, später wurde die Reform wegen Covid-19 sistiert.
Nun also der zweite Anlauf. In einer Zeit, in der die Bevölkerung wegen der Inflation und der Energiekrise schon stark gebeutelt ist, kommt die Idee, das Rentenalter auf 64 Jahre zu erhöhen, nicht gut an: 68 Prozent der Französinnen und Franzosen lehnen die Rentenreform ab.
Gewerkschaften rufen zu Demos und Streiks auf
Auch alle acht grossen Gewerkschaften sind strikt gegen die Reform – Rentenalter 64 ist für sie ein rotes Tuch. Dass sogar die staatsnahe Gewerkschaft CFDT auf Blockade geht und zu Streiks und Demonstrationen aufruft, ist eine Seltenheit. Am 19. Januar soll es losgehen.
Das französische Rentensystem ist aktuell noch profitabel, in den nächsten Jahren soll es aber zu einem Defizit kommen. Die französische Regierung hat es nicht geschafft, zu belegen, dass eine Erhöhung des Rentenalters zum jetzigen Zeitpunkt dringend notwendig ist.
Wirtschaftsexperten sind gespalten, und nicht einmal das Beratergremium der Regierung hat sich klar für die Reform ausgesprochen. Es bezeichnet die Erhöhung des Rentenalters als einen politischen Entscheid.
Überschüsse dank Erhöhung des Rentenalters
Unglücklich war auch Emmanuel Macrons Aussage vor wenigen Monaten, die Gewinne, die durch die Reform erzielt werden würden, könnte man in die Schule oder das Gesundheitswesen investieren. Warum also ausgerechnet jetzt die Rentenreform in Stein meisseln und das Rentenalter erhöhen? Emmanuel Macron scheint wild entschlossen, als Reformator des französischen Rentensystems in die Geschichte einzugehen.
Dass er diese unbeliebte Aufgabe Premierministerin Elisabeth Borne übertragen hat, gibt ihm Handlungsspielraum. Falls die Streiks andauern und die Regierung zurückkrebsen muss, steht Borne in der Verantwortung.
Nur Streiks könnten Reform scheitern lassen
Die Premierministerin hat versucht, mit Zückerchen die Rentenreform geschmackvoller zu machen: vorgesehen ist eine Erhöhung der Minimalrente um 100 Euro auf 1200 Euro für alle Rentner, auch für Frauen soll es Verbesserungen geben.
Borne betonte am Dienstagnachmittag, das Geld aus der Rentenreform werde nur für die Renten gebraucht. Auch der ursprüngliche Vorschlag, das Rentenalter auf 65 Jahre zu erhöhen, wurde verworfen. Ganz auf eine allgemeine Erhöhung zu verzichten, war aber kein Thema für die Regierung.
Im Februar wird das Parlament die Reform diskutieren – offen ist derzeit, ob die Reform der Regierung eine Mehrheit findet. Aber eigentlich spielt das keine grosse Rolle, denn Elisabeth Borne kann erneut den Paragrafen 49.3 einberufen und die Rentenreform ohne Abstimmung durchs Parlament winken.
Ob die Reform letztlich wie geplant umgesetzt wird, hängt also nur noch davon ab, wie gross der Widerstand der Bevölkerung ist.