- In der polnischen Hauptstadt Warschau sind Hunderttausende Menschen auf die Strasse gegangen.
- Sie demonstrieren gegen die Politik der nationalkonservativen Regierung der PiS-Partei.
- Laut der Warschauer Stadtregierung hat bis zu einer Million Menschen teilgenommen.
- Es sei die grösste Demonstration in der Geschichte Warschaus.
Immer wieder skandieren die Demonstranten: «Wir werden siegen! Wir werden siegen!» Dichtgedrängt ziehen die Anhänger von Polens Opposition beim «Marsch der Million Herzen» durch das Zentrum von Warschau. An einigen Stellen der Innenstadt dauert es mehr als eine Stunde, bis der endlos lange Demonstrationszug vorbeigezogen ist.
Rund eine Million Menschen soll es nach Angaben der Stadtverwaltung sein, die ihrem Unmut über die Politik der nationalkonservativen PiS-Regierung Luft machen. «Dies ist die grösste Demonstration in der Geschichte Warschaus», sagt die Rathaussprecherin. Das Portal Onet.pl kommt in eigenen Berechnungen auf 800'000 Teilnehmende.
Nationalkonservative führen in allen Umfragen
«Diese Kraft kann durch nichts mehr aufgehalten werden», schwärmt Oppositionsführer Donald Tusk beflügelt vom Erfolg. Ob es tatsächlich so kommt, entscheidet sich am 15. Oktober. Dann wählt Polen ein neues Parlament. Und bislang führen die Nationalkonservativen von Jaroslaw Kaczynski in allen Umfragen.
Um ihre Anhänger auf der Zielgeraden noch mal richtig zu mobilisieren, hatte Tusks liberalkonservative Bürgerkoalition (KO) zum «Marsch der Million Herzen» aufgerufen. Auch das Linksbündnis Lewica unterstützte die Demonstration. Trotz des kühlen Herbstwetters strömten die Menschen aus dem ganzen Land in die Warschauer Innenstadt.
Mir ist diese Regierung, dieser ganze Staat, nur noch peinlich.
«Ich will ein offenes, europäisches Polen. Wir möchten in die Zukunft schauen, anstatt ständig in der Vergangenheit zu wühlen und irgendwelche Feindseligkeiten mit Nachbarn wie Deutschland zu suchen», sagt Iwona, die mit ihrem Mann Andrzej aus Bialystok im Osten des Landes angereist ist.
Regierungschef kritisiert Tusk
Tomasz Szulc trägt zur Demo eine rothaarige Perücke – genau wie seine beiden Freunde Marek und Franciszek. Die Perücke sei eine Anspielung auf Hetze im von der PiS gleichgeschalteten öffentlich-rechtlichen Sender TVP, dessen Moderator Tusk als «rothaarig und gemein» bezeichnet hatte, erklärt der 60-jährige Fliesenleger aus Torun. «Mir ist diese Regierung, dieser ganze Staat, nur noch peinlich.»
Während die Opposition durch die Strassen von Warschau zieht, hält die PiS eine Wahlkampfveranstaltung im schlesischen Kattowitz ab. Regierungschef Mateusz Morawiecki spielt einmal mehr die antideutsche Karte. «Donald Tusk hörte auf Angela Merkel, die ihm ins Ohr flüsterte, dass er das Renteneintrittsalter erhöhen soll», erzählt er dem Publikum. Die PiS versucht seit Jahren, Tusk als Handlager Deutschlands zu diskreditieren.
Glaubt man den Umfragen, dann hat die PiS gute Chancen, auch nach dem 15. Oktober an der Macht zu bleiben. Sie könnte allerdings diesmal einen Koalitionspartner benötigen – und diesen in der ultrarechten Konfederacja finden. Diese Partei fordert ein totales Abtreibungsverbot, ihre Vertreter schrecken auch vor antisemitischen Verschwörungsmythen nicht zurück. Die Konfederacja ist besonders bei jungen Männern vom Land beliebt.