Zweimal in nur einer Woche wurden in Räumlichkeiten von US-Präsident Joe Biden Dokumente gefunden, die dort nicht hingehörten. Zunächst im Biden Center der University of Pennsylvania in der Hauptstadt Washington und nun in der Garage seines Hauses im Wilmington/Delaware. Die Papiere stammten aus der Zeit, als Biden Vizepräsident war und hätten eigentlich an das Nationalarchiv übergeben werden müssen.
Für Biden sind die Enthüllungen politisch heikel – auch und gerade, weil sein Vorgänger Donald Trump mit einem ähnlichen Fall im Sommer für einen Skandal gesorgt hatte. Droht dem Präsidenten jetzt dasselbe?
Deutliche Unterschiede
Als im August etliche Dokumente mit höchster Geheimhaltungsstufe im Anwesen von Ex-Präsident Trump in Florida gefunden wurden, kritisierte Biden dessen Umgang mit den Dokumenten öffentlich. Justizminister Merrick Garland setzte daraufhin einen Sonderermittler ein.
Nun wird auch gegen den amtierenden Präsidenten ermittelt. Gemäss dem Politikwissenschaftler Thomas Jäger von der Universität Köln will das Justizministerium damit den Eindruck vermeiden, dass es mit unterschiedlichem Mass misst. Doch: «Es ist unwahrscheinlich, dass Präsident Biden – Stand heute – irgendwelche juristischen Probleme daraus erwachsen», so der USA-Kenner.
Die beiden Fälle würden sich nämlich deutlich unterscheiden. Im Fall von Biden seien die Dokumente, so das Weisse Haus, per Zufall gefunden und auch gleich übergeben worden. «Trump hat die Dokumente hingegen mitgenommen und gesagt: ‹Die gehören mir und ich gebe sie auch nicht wieder her›», so Jäger. Ausserdem sei die Anzahl der Dokumente, die bei Biden gefunden wurden, auch deutlich kleiner als im Fall des Ex-Präsidenten.
Auch die Fundorte seien wichtig. Obwohl in beiden Fällen Dokumente nicht sachgerecht gelagert wurden, falle der Ex-Präsident auch in diesem Fall negativ auf. Trump hielt sie nämlich in seinem weitläufigen Anwesen in Mar-a-Lago. «Man weiss nicht, wer die Besucher waren, die möglicherweise durch die Räume streiften und vielleicht das eine oder andere Dokument über die Nordkorea-Politik eingesehen haben», sinniert Jäger.
Ein gefundenes Fressen für die Republikaner
Dennoch ist Biden nun heftiger Kritik Trumps und der Republikaner ausgesetzt. Diese würden aus der aktuellen Affäre wohl «ein grosses Kino» machen, ist Jäger überzeugt. Es werde Untersuchungen geben und wohl ein Ausschuss eingesetzt. Was dabei rauskomme, sei unwichtig – viel wichtiger sei die PR.
Noch versucht das Weisse Haus ruhig zu bleiben. Die Nachricht, dass Sonderermittler eingesetzt werden soll, nahm Berater Bidens zunächst «positiv» auf. Doch die Enthüllungen seien für Biden ein «Desaster», sagt Jäger. «In der Öffentlichkeit hängt man das jetzt wieder diesem ‹alten und nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit seienden› Präsidenten an.»
Biden hat bisher immer wieder die allgemeine Absicht erklärt, bei der Präsidentenwahl 2024 erneut anzutreten. Eine endgültige Entscheidung hat er noch nicht öffentlich gemacht. Debattiert wird vor allem über sein Alter.
USA-Experte Jäger glaubt jedoch nicht, dass die aktuelle Dokumentenaffäre Biden davon abhalten wird, 2024 noch einmal anzutreten. «Denn er ist derjenige von den Demokraten, der Trump schlagen kann. Und das ist das wichtigste Argument.»