Auf den ersten Blick ist klar, wer im Kreml das Sagen hat: Im Russland Wladimir Putins gilt die sogenannte «Vertikale der Macht». Sämtliche Fäden laufen beim Staatspräsidenten zusammen.
Und doch gibt es sie: die zentralen Figuren im System. Der Krieg in der Ukraine hat den Einfluss einiger reduziert und anderen zu Prominenz verholfen. Russland-Experte Ulrich Schmid ordnet ein.
Die Militärs
Sergej Schoigu (66), der Gefallene: Vor Kriegsbeginn galt der Verteidigungsminister als unumstritten. Doch dann kam das desaströse Abschneiden der russischen Streitkräfte in der Ukraine. Im Frühling war der persönliche Freund von Staatspräsident Putin plötzlich während mehrerer Wochen aus der Öffentlichkeit verschwunden. Später wurde verkündet, dass gesundheitliche Beschwerden der Grund für seine Abwesenheit gewesen waren. «Schoigu steht unter Druck», sagt Ulrich Schmid, Professor für Kultur und Gesellschaft Russlands an der HSG. Der loyale Weggefährte Putins werde zunehmend als Sündenbock dargestellt.
Die mächtigen Männer im Kreml
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Bild 1 von 11Legende: Sergej Schoigu Der Verteidigungsminister war bereits in den 1990er-Jahren unter der Regierung von Boris Jelzin eine nationale Figur. KEYSTONE
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Bild 2 von 11Legende: Schoigus Beziehung zu Wladimir Putin wird als eng bezeichnet. Doch die militärischen Misserfolge dürften am Standing Schoigus gerüttelt haben. IMAGO/Kirill Kallinikov;
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Bild 3 von 11Legende: Waleri Gerassimow Der Generalstabschef gilt als militärischer Vordenker. Der Einmarsch auf der Krim wird als sein grösster Erfolg gewertet. AP Photo/Alexander Zemlianichenko
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Bild 4 von 11Legende: Militärs in Ungnade? Wie Schoigu steht Gerassimow mittlerweile aber in der öffentlichen Kritik. Ob Staatspräsident Putin, wie kolportiert, tatsächlich auf Distanz zu seinen beiden höchsten Militärs geht, ist aber nicht klar. Alexei Nikolsky, Sputnik, Kremlin Pool Photo via AP
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Bild 5 von 11Legende: Militärs in Ungnade? Beide hatten in den Jahren vor dem Einmarsch in die Ukraine Putins Strategie eines schlagkräftigen Russlands auf der internationalen Bühne loyal mitgetragen. (Bild: 2013) AP Photo/RIA-Novosti, Alexei Nikolsky, Presidential Press Service
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Bild 6 von 11Legende: Nikolai Patruschew Die Stellung des ehemaligen FSB-Chefs darf gemäss Experten nicht unterschätzt werden. Unter Kreml-Kennern wird er als möglichen Nachfolger Wladimir Putins gehandelt. (Bild: 09.05.21) KEYSTONE/EPA/MAXIM SHIPENKOV
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Bild 7 von 11Legende: Alexander Bortnikow 2008 wurde er als Nachfolger Patruschevs zum Chef des Geheimdienstes FSB ernannt.(Bild: Erster v.l., aufgenommen: Dezember 2019) ALEXEI DRUZHININ / SPUTNIK / KREMLIN POOL / POOL MANDATORY CREDIT
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Bild 8 von 11Legende: Alexander Bortnikow Kritik für den ausbleibenden Kriegserfolg in der Ukraine dürfte auch am FSB-Chef hängen geblieben sein. Die Überwachung der ehemaligen Sowjetrepubliken gehört zu seinem Mandat. (Bild 2013) AP Photo/RIA-Novosti, Mikhail Klimentyev
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Bild 9 von 11Legende: Ramsan Kadyrow Seine martialischen Auftritte haben dem Präsidenten der Teilrepublik Tschetschenien den Übernamen «Putins Bluthund» eingebracht. Über wie viel Einfluss Kadyrow wirklich verfügt im Kreml, ist aber umstritten. Reuters/CHINGIS KONDAROV
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Bild 10 von 11Legende: Jewgeni Prigoschin Es ist eine ungewöhnliche Karriere, die dieser Mann hingelegt hat: von «Putins Koch» zum Chef einer international gefürchteten Söldner-Truppe und wichtigen Berater des russischen Staatspräsidenten. (Bild: 2017) Sergei Ilnitsky/Pool Photo via AP
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Bild 11 von 11Legende: Jewgeni Prigoschin Zusammen mit Ramsan Kadyrow gilt Prigoschin (1. von rechts) als Hardliner im Ukraine-Krieg. Regelmässig macht er sich für ein härteres Vorgehen Russlands in der Ukraine stark. AP Photo/Misha Japaridze, Pool, File
Sergej Surowikin (56), der Brutale: Er ist der neue Mann Moskaus in der Ukraine. Vergangene Woche hat der Kreml den Militär zum Kommandeur der russischen Streitkräfte ernannt. Surowikin gilt als äusserst brutal. Einen Namen hat er sich vor allem während Moskaus Einsatz in Syrien gemacht, als er die breitflächige Bombardierung der Grossstadt Aleppo befehligte. Für Schmid ist es denn auch keine Überraschung, dass es gleich nach dem Amtsantritt Surowikins zu breitflächigen Raketenangriffen in der Ukraine gekommen ist. «Das ist Ausdruck einer neuen aggressiveren Kriegsführung, die Teile des Kremls sich wünschen.»
Die Kriegstreiber
Ramsan Kadyrow (46), der Bluthund: Nach Wladimir Putin ist der tschetschenische Warlord wohl das bekannteste Gesicht auf russischer Seite im Ukraine-Krieg. Seine martialischen Auftritte haben ihm den Übernamen «Putins Bluthund» eingebracht. 2007 war er im Alter von nur 30 Jahren zum Präsidenten der Teilrepublik geworden, die sich einen jahrzehntelangen, blutigen Bürgerkrieg mit Moskau geliefert hatte. Über wie viel Einfluss er im Kreml wirklich verfügt, ist aber umstritten. «Kadyrow und Putin haben einen Pakt. Letzterer lässt ersterem bei dessen brutalem Regime in Tschetschenien freie Hand, während Kadyrow Putin umgekehrt garantiert, dass es in Tschetschenien zu keinen neuen separatistischen Bewegungen kommt.»
Jewgeni Prigoschin (61), der Chefkoch: Es ist eine ungewöhnliche Karriere, die dieser Mann hingelegt hat: Von «Putins Koch» in St. Petersburg, der auch die Truppen der russischen Armee versorgt, zum Chef der international gefürchteten Söldner-Truppe Wagner und wichtigen Berater des russischen Staatspräsidenten.
Mit dem Ukraine-Krieg sind die skrupellosen Methoden der privaten Sicherheitsfirma weiter ins Rampenlicht gerückt. Auf Videos ist zu sehen, wie Prigoschin in Gefängnissen neue Kämpfer rekrutiert. Zusammen mit Ramsan Kadyrow gilt er als Hardliner im Ukraine-Krieg. Regelmässig macht er sich für ein härteres Vorgehen Russlands in der Ukraine stark. «Diese Figuren sind nun aus dem Hintergrund getreten und melden nun lautstark Ansprüche an, in der Kriegsführung mitzumischen», so Russland-Experte Ulrich Schmid.