Zum Inhalt springen

Generalstreik in Ecuador «Grundnahrungsmittel gibt es keine mehr»

In Ecuador protestieren seit Tagen Tausende gegen Präsident Lenin Moreno. Dieser hat beschlossen, die Subventionen für Benzin und Diesel zu streichen. In der Hauptstadt Quito gab es Verletzte und Festnahmen. Marco Nyffeler, Gründer eines Projekts, das Kindern und Familien aus armen Verhältnissen hilft, ist dort und erlebt die Unruhen hautnah mit. Er hofft auf Gespräche.

Marco Nyffeler

Sozialpädagoge

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Der Schweizer Sozialpädagoge leitet seit 16 Jahren in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito das Hilfsprojekt mit dem Namen «Minadores de Suenos» , das Kindern und Familien aus armen Verhältnissen unter die Arme greift.

SRF News: Wie erleben Sie die Proteste in Ecuadors Hauptstadt?

Marco Nyffeler: Ich habe verschiedenste Erlebnisse geschildert bekommen, ganz konkret von meinen Arbeitern, welche selber als Helfer für die Demonstranten vor Ort sind oder Familien haben, welche auf der Strasse sind und sich dem Streik angeschlossen haben. Das sind Familien, die vom Land kommen und letzte Woche in die Stadt gezogen sind, um zu protestieren.

Deckt sich das, was Sie im Fernsehen sehen, mit dem, was Ihre Mitarbeiter erzählen?

Ich habe starke Widersprüche gehört, gelesen und gesehen. Einerseits zeigt das Fernsehen, das auf Regierungsseite ist, vieles nicht oder beschönigt es. Auch zeigt es Bilder von Demonstrationen, die zwar stattgefunden haben, die aber friedlich verlaufen sind.

Es gab Strassenschlachten, die trotz Ausgangssperre bis weit in die Nacht hinein weitergingen.

Andererseits bekomme ich Informationen nächster Nähe, von den Leuten, die direkt am Streik beteiligt sind. Von ihnen erfahre ich, dass es Gewalteskalationen gab, Strassenschlachten, die trotz Ausgangssperre bis weit in die Nacht weitergingen. Die Informationen sind also unterschiedlich.

Wie steht es um die Versorgungslage wegen der Unruhen ?

Seit letzter Woche gibt es keine Transporte mehr. Das heisst, Güter werden nicht mehr in die Stadt hineingefahren. Es hat eine Einkaufswelle gegeben, bei der alles leergekauft wurde; Grundnahrungsmittel gibt es keine mehr, auf den Märkten auch nicht. Am Dienstag hatte es auf dem Markt noch wenige Produkte gegeben, die kosteten dann aber schon bald das Doppelte. Am Mittwoch waren dann alle Läden zu, man konnte gar nichts mehr kaufen.

Wie schwer ist es, ins Stadtzentrum von Quito zu kommen?

Die Mobilität ist momentan sehr eingeschränkt. In den Morgenstunden von 6 bis 8 Uhr gab es noch viel Bewegung in den letzten Tagen – allerdings waren nur Autos unterwegs, weil der öffentliche Verkehr völlig lahmgelegt ist. Dann aber, gegen 10, 11 Uhr beginnen die Strassenbarrikaden an den wichtigen Verkehrsknotenpunkten und grossen Strassen, Pneus werden verbrannt.

Der Rückweg war blockiert von Demonstranten, die sogar Steine gegen die Autos warfen.

Dann kommt man nicht mehr durch. Das ist mir auch passiert. Ich bin losgefahren, musste umkehren, aber der Rückweg war auch schon blockiert von Demonstranten, die sogar Steine gegen die Autos warfen. Ich musste auf kleinen Strassen hinten durch einen Weg zurück in mein Hilfswerk finden.

Was müsste passieren, damit sich die Situation entschärft?

Die Lage würde sich sehr schnell beruhigen, wenn die Regierung zeigen würde, dass sie die Massnahmen entschärfen will, dass es vielleicht eine Abschwächung dieser Massnahmen gibt oder sogar eine Auflösung.

Ich hoffe und wünsche mir wie alle Ecuadorianer, dass wir ganz schnell wieder zur Ruhe kommen.

Momentan sieht es nicht so aus. Beide Fronten sind verhärtet und keine macht den ersten Schritt. Ich hoffe und wünsche mir wie alle Ecuadorianer, dass wir ganz schnell wieder zur Ruhe kommen, dass die Gewalt sich auflöst, dass wir wieder zusammensitzen und versuchen, das Problem verbal zu lösen und so einen Konsens finden, damit hier wieder Normalität einkehrt.

Das Gespräch führte Rino Curti.

Meistgelesene Artikel