- In Hongkong haben die Proteste gegen Regierungschefin Carrie Lam und den Einfluss Chinas mit einem Generalstreik einen Höhepunkt erreicht.
- Bahn- und Busdienste wurden eingestellt. Demonstranten blockierten Gleise und Bahnhöfe. Auf den Strassen bildeten sich lange Staus.
- Unterdessen hat Carrie Lam die anhaltende Gewalt bei den Demonstrationen verurteilt.
- Die Regierung werde entschlossen dabei vorgehen, Recht und Ordnung in Hongkong aufrechtzuerhalten und das Vertrauen wiederherzustellen.
Lam wandte sich zum ersten Mal seit zwei Wochen an die Öffentlichkeit und warnte, die Proteste seien eine Herausforderung für die Souveränität Chinas und würden eine «extrem gefährliche Situation» heraufbeschwören.
Lam, die von der Regierung in Peking unterstützt wird, erklärte mit versteinertem Gesicht, die Demonstranten wollten eine Revolution. Damit werde die Vereinbarung «ein Land, zwei Systeme» infrage gestellt. Ihre Regierung werde entschlossen Recht und Ordnung durchsetzen.
Furcht vor Verlust der Freiheit
Der früheren britischen Kronkolonie Hongkong wurden nach der Übergabe an China 1997 besondere Freiheitsrechte eingeräumt. Diese sehen die Regierungsgegner nun gefährdet. «Es ist totale Zeitverschwendung, ihr zuzuhören», sagte der 20 Jahre alte Student Jay Leung über Lam. «Ich glaube, die Regierung tut gar nichts, um die Gesellschaft zu heilen.»
Der 49 Jahre alte Geschäftsmann Mark Schmidt sagte, die Regierung schaffe eine Situation, die für jedermann unerträglich werde. «Jetzt etwas Geld zu verlieren, ist nicht so ein grosses Problem im Vergleich zum Verlust von allem, für was die Freiheit von Hongkong steht.»
Die Kundgebungsteilnehmer fordern den Rücktritt Lams, was diese ablehnt. Auch den vollkommenen Verzicht auf das ausgesetzte Gesetz zur Auslieferung Verdächtiger an China will Lam nicht zusagen.
An diesem Gesetz hatten sich die seit Wochen anhaltenden Proteste entzündet. Lam hat das Gesetz mittlerweile zwar für «tot» erklärt, mittlerweile wenden sich die Demonstranten aber grundsätzlich gegen den wachsenden Einfluss der chinesischen Führung in Peking. Zudem soll eine unabhängige Kommission den Umgang der Hongkonger Regierung mit der Krise untersuchen.
«Mit ihrer harten Haltung erzürnt Carrie Lam die Aktivistinnen und Aktivisten auf der Strasse», sagt SRF-Korrespondent Martin Aldrovandi. Die Menschen hier fühlten sich nicht ernst genommen. Und China? «Noch greift Peking nicht direkt ein und hofft, dass die Hongkonger Polizei die Lage in den Griff bekommt», so Aldrovandi.
Anhaltende Proteste
In der Nacht zum Montag hatten hunderte Demonstranten eine Strasse blockiert. Die Polizei ging mit Tränengas gegen die Protestierer vor. 82 Menschen wurden festgenommen.
Die Demonstrationen sollten im Laufe des Tages auf weitere Distrikte ausgedehnt werden. Bahn- und Busdienste wurden eingestellt. Demonstranten blockierten Gleise und Bahnhöfe. Am Flughafen von Hongkong wurden mehr als 200 Flüge gestrichen.
Am Wochenende hatten Protestierer Polizeistationen belagert, Wände mit Losungen besprüht und Schaufenster eingeworfen. Seit dem 9. Juni sind nach Polizeiangaben 420 Menschen in Gewahrsam genommen worden.