Der in der Schweiz geplante Friedensgipfel zur Ukraine soll noch dieses Jahr stattfinden und möglichst viele Regierungschefs an den Tisch bringen – das gab Aussenminister Ignazio Cassis diese Woche am Rande des WEF in Davos bekannt. Der frühere Diplomat Toni Frisch äussert sich zu den Plänen des Bundesrates, mahnt zu Bescheidenheit und hofft auf einen Erfolg.
SRF News: Was bringt der angekündigte Friedensgipfel der Ukraine?
Toni Frisch: Ich bin der Meinung, dass die Ankündigung Hoffnungen und Erwartungen weckt. Vielleicht ist der Titel Friedensgipfel ein bisschen hoch gegriffen. Vielleicht müsste man mit bescheidenen Zielen beginnen.
Was wären denn diese bescheideneren Ziele?
Ja, die Frage stellt sich doch überall. Auch bei diesem 10-Punkte-Plan.
Da wird Putin nie Hand bieten. Man muss beginnen, realistisch zu sein.
Sie sprechen den 10-Punkte-Friedensplan des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski an?
Genau. Der Plan beinhaltet ja, dass sich die Russen von den jetzt besetzten Gebieten zurückziehen. Da wird Putin nie Hand bieten. Man muss beginnen, realistisch zu sein.
Was wäre realistischer als Diskussionsgrundlage für diesen Friedensgipfel?
Es geht darum, dass man über Allianzen, über Partner, in Vor- und Geheimgesprächen vor Ort klärt, was die unabdingbaren Voraussetzungen beider Seiten sind, die eingehalten und respektiert werden müssen.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit der Gipfel überhaupt nützliche Resultate liefern kann? Was wäre da aus Ihrer Sicht dringend nötig?
Schon nur, dass man sich zusammensetzt und sich bemüht, friedliche Lösungen zu finden. Denn am Ende jedes Konfliktes steht ein Verhandlungstisch. Niemand erwartet, dass am Ende dieser Konferenz ein Friedensvertrag unterzeichnet wird. Das wird vielleicht ein mehrjähriger Prozess werden.
Die schwierigste Reise für Cassis wird dann sein, wenn er nach Moskau pilgern muss.
Und es ist ja auch richtig, dass Bundesrat Ignazio Cassis jetzt nach Indien und China reisen will. Denn auf diesem Weg versucht man natürlich, die Russen an Bord zu bringen. Aber die schwierigste Reise für Cassis wird dann sein, wenn er nach Moskau pilgern und sich dort mit Lawrow auseinandersetzen muss.
So gesehen braucht es eben Wege und Umwege und lange Bemühungen, dass überhaupt eine Chance besteht, dass man letztlich – wenn man dann zusammenkommt – zu einem konkreten Ergebnis kommen kann.
Wie könnte das aussehen?
Ein Ende der Bombardements, wenn man schon nur so weit käme. Ein vorübergehender Waffenstillstand, der ein Atemholen ermöglicht, und der vielleicht eine gewisse Distanz bringt. Das wäre der Beginn eines eingefrorenen Konfliktes. Und das erwarte ich auch, dass es das letztlich geben dürfte.
Wenn wir uns die Schweizer Seite etwas genauer anschauen. Die Ankündigung des Friedensgipfels zur Ukraine Tagen ist ja von verschiedener Seite als diplomatischer Erfolg der Schweiz bezeichnet worden. Sehen Sie das auch so?
Ich hätte das noch nicht als diplomatischen Erfolg bezeichnet, aber als sehr gute und sehr lobenswerte Initiative. Und im Weiteren ist es auch eine Chance für die Schweiz.
Ich hoffe, diese Initiative wird zu einem Erfolg.
Übrigens hat die Schweiz ja noch etwas gut zu machen. Bisher war die Schweiz ja eher zögerlich und eher knauserig in Sachen Unterstützung der Ukraine und bei der humanitären Hilfe weit abgeschlagen. Das hat mich sehr enttäuscht. Umso besser, wenn jetzt diese Initiative kommt. Und ich hoffe, sie wird zu einem Erfolg. Aber der Weg wird noch steinig sein. Versuchen muss man es. Auch wenn am Schluss vielleicht ein Misserfolg resultiert.
Das Gespräch führte Matthias Kündig.