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Gerichtsentscheid in Spanien Francos Gebeine dürfen exhumiert werden

Das Oberste Gericht hat die Umbettung der sterblichen Überreste des Diktators genehmigt – gegen den Willen der Familie.

Darum geht es: Das Mausoleum von Diktator Francisco Franco im Tal der Gefallenen nordwestlich von Madrid ist seit Jahren eine Pilgerstätte für Rechtsextreme. Doch damit ist jetzt Schluss: Spaniens Oberstes Gericht wies die Berufung von Francos Angehörigen einstimmig zurück und beschloss, dass seine Gebeine exhumiert und auf einem Friedhof, auf dem auch andere Personen aus der Diktaturzeit beigesetzt sind, begraben werden sollen.

Franco im offenen Sarg
Legende: Witwe und Tochter an der Trauerfeier für Franco am 20. November 1975 im El-Pardo-Palast. Keystone

Die Bedeutung des Urteils: Dieses Urteil habe eine sehr grosse Bedeutung, sagt SRF-Iberien-Expertin Melanie Pfändler. Francisco Franco hat das Land fast 40 Jahre lang regiert, bis zu seinem Tod im Jahr 1975. «Das hat in der spanischen Gesellschaft tiefe Spuren hinterlassen, die bis heute spürbar sind.» Die Vertreter der Opferorganisationen, die sich für die Aufarbeitung der Ereignisse während der Diktatur einsetzen, seien denn auch enorm erleichtert. «Aber das sehen selbstverständlich nicht alle so», sagt Pfändler.

Die Rolle der Sympathisanten: Wie viele Anhänger der einstige General heute noch hat, lässt sich nur schwer beziffern. «Es gibt die ganz extremen Gruppierungen, die jedes Jahr am Geburtstag und am Todestag von Franco Feiern im Mausoleum veranstalten», erklärt Spanien-Kennerin Pfändler.

Die spanische Tageszeitung ‹El País› spricht vom ‹grössten symbolischen Erfolg›, der Sánchez seit seinem Amtsantritt im April gelungen ist.

Und es gibt die Partei Vox, die die Linie vertritt, dass Francos Diktatur durchaus auch ihre positiven Seiten gehabt habe, und dass man diese auch entsprechend würdigen sollte. Diese Partei holte bei den Wahlen im vergangenen April zehn Prozent der Stimmen. Und in diesen Kreisen hört man laut Pfändler auch Sätze wie: «Es ist so lange her. Warum sollen wir uns noch länger damit auseinandersetzen und alte Wunden aufreissen?»

Die politischen Auswirkungen: Am 10. November sind in Spanien wieder Wahlen. Der linken Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez kommt das Urteil sehr gelegen. Die spanische Tageszeitung «El País» spricht vom «grössten symbolischen Erfolg», der Sánchez seit seinem Amtsantritt im April gelungen ist. Es könne aber auch sein, dass Wähler von rechten Parteien sich durch das Urteil bestätigt fühlen in der Befürchtung, dass Sánchez die spanische Geschichte in den Schmutz ziehen will. «Das könnte den Konservativen oder gar nationalistischen Kräften Aufschwung verleihen.»

Die Reaktion der Angehörigen: Die Enkel von Francisco Franco geben sich nicht zufrieden mit diesem Verdikt. Die Familie hatte bereits im Voraus angekündigt, dass sie das Urteil weiterziehen werde; in einem ersten Schritt an das spanische Verfassungsgericht. Und dann möglicherweise bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Die Frage, die sich deshalb stellt, ist, ob Sánchez noch vor dem Wahltag die Genugtuung erhält, dass Francos Überreste exhumiert werden, oder ob ihm die Gelegenheit verwehrt wird, sich medienwirksam neben dem geöffneten Grab in Szene zu setzen.

Das Franco-Regime in Spanien

Unter Führung von General Francisco Franco putschten konservativ-monarchistische Militärs 1936 gegen die demokratisch gewählte, republikanische Regierung, was den spanischen Bürgerkrieg auslöste. Nach dessen Ende regierte Franco ab 1939 Spanien als Diktator. Unter dem rechten Franco-Regime kam es zu brutalen Säuberungsaktionen, in denen Hunderttausende politische Gegner verhaftet, in Konzentrationslager gesteckt, gefoltert und umgebracht wurden.
Während des Zweiten Weltkriegs wahrte Franco Neutralität und schaffte es, Spanien aus den Kriegswirren herauszuhalten – auch wenn zahlreiche Spanier als Freiwillige auf Seiten Nazi-Deutschlands an der Ostfront gegen die Sowjetunion kämpften. Während des Kalten Kriegs gehörte Diktator Franco zu den führenden Antikommunisten in Europa. Er verfolgte eine restriktive Aussenpolitik gegenüber der Sowjetunion und den Staaten des Ostblocks.
Die symbolischen Interventionen Spaniens im Koreakrieg und später im Vietnamkrieg an der Seite der USA beendete die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs anhaltende Isolation Spaniens und legitimierte das Franco-Regime international. Nach wirtschaftsliberalen Reformen kam es in den 1960er Jahren unter Francos Herrschaft in Spanien zum grössten Wirtschaftswachstum im 20. Jahrhundert – nicht zuletzt dank des blühenden Tourismus. Dies machte das Land zu einer der weltweit grössten Volkswirtschaften.
1969 ernannte Franco den späteren König Juan Carlos I. zu seinem Nachfolger. Zur gleichen Zeit nahm der Widerstand gegen das Franco-Regime zu, doch ein Machtwechsel konnte nicht erreicht werden. Erst mit dem Tod Francos am 20. November 1975 endete die Diktatur in Spanien. Im November gleichen Jahres wurde Juan Carlos zum König ernannt. Im Juni 1977 fanden die ersten freien Parlamentswahlen seit 1936 statt, das diktatorische Regime fand ein Ende. 1978 verabschiedete Spanien eine Verfassung und wurde zur konstitutionellen Monarchie.
Nach und nach wurden die von Anhängern Francos besetzten Ämter geräumt. Ein neuer Putschversuch rechter Militärs im Jahr 1981 scheiterte unter anderem daran, dass König Juan Carlos diesem entschlossen entgegen trat. 1982 übernahmen erstmals die Sozialdemokraten die Regierung. Ebenfalls 1982 trat Spanien dem transatlantischen Verteidigungsbündnis Nato bei, 1986 der Europäischen Union.

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