Was ist passiert? Zum ersten Mal seit 29 Jahren fehlte der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko bei der Feier der Staatsflagge. Er sei in ein Spital gebracht worden, berichten ukrainische Medien. Ob das stimmt und woran er allenfalls leidet, bleibt derzeit jedoch unklar.
Was ist an den Gerüchten dran? Das sei schwer zu sagen, sagt Ingo Petz, freier Journalist in der belarussischen Hauptstadt Minsk: «Es gibt eigentlich nur Spekulationen und Gerüchte.» Man könne auf Fotos allerdings sehen, dass Lukaschenko doch recht angeschlagen aussehe; etwa bei der russischen Parade am Tag des Sieges, bei welcher er traditionsgemäss eingeladen sei. «Nun gibt es jetzt Hinweise, dass er in Minsk in einem Spital behandelt wird», so Petz. Ob er allerdings dort geblieben sei, wisse man nicht. «Die Staatsmedien in Belarus schweigen dazu», sagt Petz.
Der belarussische Oppositionspolitiker Pawel Latuschko vermutet, dass Lukaschenko eine Herzmuskelentzündung hat. Er habe dafür Quellen, aber genaues wisse man nicht, betont Petz.
Wie diskutieren die Menschen in Belarus über das Thema? Das sei wirklich schwer zu sagen, so der Osteuropa-Kenner. «Lukaschenko soll natürlich nach aussen Stärke symbolisieren. Er ist auch von der Statur her eine recht imposante Persönlichkeit und war auch in den vergangenen Jahren eigentlich nie wirklich krank», fährt er fort. Natürlich bringe das eine «gewisse Unruhe, wenn der omnipräsente Diktator sozusagen von der Bildfläche verschwindet».
Natürlich wünschen sich nicht wenige, dass dieses System das Zeitliche segnet.
Zudem: In Belarus gibt es noch immer massive Repressionen seit den Protesten vom Jahr 2020. «Natürlich wünschen sich nicht wenige, dass dieses System das Zeitliche segnet», so Petz.
Warum kommuniziert die Regierung nicht aktiver? Man beobachte einen für autokratische Systeme typischen Reflex, so Petz: «Wenn der Kopf, auf den die Macht und das ganze politische System zugeschnitten ist, auf einmal krank wird und nicht mehr präsent sein kann, gibt es eigentlich keinen Plan.» Natürlich werde jetzt der Nationale Sicherheitsrat tagen. Trotzdem sei man «relativ hilflos». «Und allein das bringt natürlich Unruhe in dieses extrem personalisierte System hinein», betont Petz.
Wie stark könnte die Opposition im Exil von der derzeitigen Situation profitieren? «Sie hat eigentlich keine Möglichkeiten, auf das System selbst Einfluss zu nehmen», sagt Petz. Aber sie versuche natürlich, eine gewisse Unruhe in das System zu bringen, um dieses instabiler zu machen. Die Spekulationen um Lukaschenkos Gesundheitszustand seien diesbezüglich «ein gefundenes Fressen».
Was würde passieren, wenn Lukaschenko nicht mehr einsatzfähig wäre? Solche Spekulationen seien sehr schwierig, sagt Petz. «Die Sicherheitssysteme werden natürlich versuchen, die Macht in irgendeiner Form zu halten.» Russland dürfte dann ebenfalls eine Rolle spielen. Auch die Rolle von Belarus im Krieg in der Ukraine hätte einen Einfluss auf diese Dynamiken. Und die Opposition? Auch sie dürfte dann versuchen, Einfluss auszuüben, so Petz. Aber das sei alles «wirklich schwer zu antizipieren», zumal man nicht genau wisse, was mit Lukaschenko eigentlich los sei.