Zugreisende nach Deutschland müssen deutlich mehr Zeit einrechnen. Denn seit dieser Woche ist die Bahnstrecke zwischen Mannheim und Frankfurt am Main gesperrt. Fast ein halbes Jahr geht dort wegen aufwendigen Bauarbeiten gar nichts mehr. Diese Sperrung ist Teil einer umfassenden Gesamtsanierung. Bahnexpertin Birgit Milius erklärt, warum diese Massnahmen notwendig sind und welche positiven Auswirkungen sie für die Zukunft des Bahnverkehrs haben könnten.
SRF News: Wie wichtig ist die Sanierung dieser Teilstrecke?
Birgit Milius: Sie ist sehr wichtig, weil es kaum einen Tag ohne Ausfälle gab. Das hat vor allem Pendler betroffen. Die Strecke ist für das gesamtdeutsche Netz so wichtig, dass Verspätungen Auswirkungen auf den Betrieb in ganz Deutschland hatten. Die Sanierung ist wichtig, um initiale Verspätungen zukünftig zu vermeiden.
Eine Totalsperrung der Strecke für fünf Monate klingt nach einem radikalen Schritt. Hätte es auch andere Möglichkeiten gegeben?
Natürlich. Der klassische Ansatz wäre gewesen, jedes Werk nach und nach instand zu setzen. Das hätte aber laut Aussagen der Bahn zu längeren Sperrpausen und mehr Einschränkungen geführt. Durch grosse Baustellen steigt die Effizienz. Es kann intensiv gearbeitet werden, ohne sich zum Beispiel um Züge auf dem Nachbargleis zu kümmern. Für die Bahnreisenden ist es zudem ein Vorteil, weil sie sich auf den Schienenersatzverkehr einstellen können, statt wöchentlich wechselnde Fahrpläne zu haben.
Die Sanierung der letzten Jahre war nicht ausreichend.
Es ist nicht die einzige Sanierung von Strecken. Weitere folgen bald, wie zwischen Emmerich am Rhein und Oberhausen oder zwischen Hamburg und Berlin. Bis Ende des Jahrzehnts sollen 40 Abschnitte saniert sein. Ist es eine Sanierungsoffensive?
Definitiv ja. Man hat erkannt, dass die Sanierung der letzten Jahre nicht ausreichend war. Und dass der heutige Zustand der Infrastruktur darauf zurückzuführen ist. Um die Verkehrswende zu schaffen und mehr Menschen zum Bahnfahren zu bringen, müssen die Fahrpläne stabiler und die Züge pünktlicher werden. Das erreicht man nur durch grossflächige Sanierungen, besonders an störanfälligen Strecken mit grosser Netzwirkung.
Wie optimistisch sind Sie, dass die Deutsche Bahn in naher Zukunft besser und vor allem zuverlässiger wird?
Ich würde gerne auf die Zukunft schauen und nicht auf die nahe Zukunft. Denn wir alle wissen, dass Bahn nichts ist, was sich schnell ändert. Der Ansatz der Hochleistungskorridore ist gut, da er gezielt ist. Es hilft, Ressourcen im Bausektor zu binden, wenn man einen Plan für die nächsten zehn Jahre hat. Es lohnt sich so, Maschinen einzukaufen oder Mitarbeiter auszubilden.
Wir brauchen die Balance zwischen Hochleistungskorridoren und regionalen Baumassnahmen.
Aber der grossräumige Effekt wird sich erst mittelfristig zeigen. Wichtig ist, aus diesen ersten Projekten zu lernen, gerade wie Menschen im System damit umgehen. Wir brauchen beispielsweise effizientere Planungsprozesse und Unterstützung für das Planungspersonal. Zudem dürfen kleine Massnahmen wie Bahnübergangserneuerungen oder zusätzliche Umleitungen nicht vernachlässigt werden. Wir brauchen die Balance zwischen Hochleistungskorridoren und regionalen Baumassnahmen.
Das Gespräch führte Nicolà Bär.