David Yambio stammt aus Südsudan, einem Bürgerkriegsland. 2018 ist er nach Libyen geflohen. Der knapp 30-Jährige erzählt, was er dort erlebte: «Man hat mich eingesperrt und wie einen Sklaven zu schwerster Arbeit gezwungen. Ohne Lohn. Ich habe unter Durst, Hunger und Folter gelitten.»
Yambio sagt, er wisse, wer dafür verantwortlich sei: General Almasri Najim. Diesem unterstünden in der Region um die Hauptstadt Tripolis diverse Gefängnisse und Lager, in denen man Tausende Migrantinnen oder Flüchtlinge ausbeute und quäle.
Im Regierungsflugzeug bequem nach Hause
Dass diese Vorwürfe nicht aus der Luft gegriffen sind, zeigt der Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen General Najim. Der Vorwurf: Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Darum hat Italien Almasri Najim, der sich für ein Fussballspiel in Turin aufhielt, verhaftet.
Doch nach kurzer Zeit liess man ihn frei und flog ihn gar in einer Maschine der italienischen Regierung bequem nach Hause. Das kann David Yambio nicht verstehen: «Wie kann man jemanden, der wegen Mord und Folter gesucht wird, einfach laufen lassen?»
Italien hätte den mutmasslichen Verbrecher Almasri Najim dem Internationalen Strafgerichtshof ausliefern müssen.
David Yambio erzählt von der Folter, die er in einem von Almasri Najim kontrollierten Gefängnis am eigenen Leib erlebte: «Kam ich von der Zwangsarbeit zurück, hat man mich gezwungen, mich nackt auszuziehen. Man schlug mit einem Stock auf meine Fusssohlen.» Anderen Gefangenen habe man Finger abgeschnitten. Yambio berichtet auch von sexueller Gewalt.
Das Flüchtlingshilfswerk der UNO und private Hilfsorganisationen sprechen von systematischer Folter und von Mord in libyschen Gefängnissen und Lagern.
«Italien hätte den mutmasslichen Verbrecher Almasri Najim dem Internationalen Strafgerichtshof ausliefern müssen», sagt David Yambio. «Das wäre ein wichtiges Zeichen gegen die Straflosigkeit gewesen.»
Auslieferungsgesuch nicht korrekt formuliert?
Yambio, dem erst im sechsten Anlauf im Jahr 2022 die Flucht von Libyen übers Mittelmeer nach Italien gelang, leitet heute in Italien einen Verein, der sich für Flüchtlinge in Libyen einsetzt. Er und seine Mitstreiter werfen der Regierung Italiens vor, sie habe sich illegal verhalten, indem sie Almasri Najim laufen liess. Yambio werde eine Klage einreichen.
Italiens Regierung beteuert, man habe Almasri freigelassen, weil das Auslieferungsgesuch aus Den Haag nicht korrekt formuliert gewesen sei.
Doch in Italien gehen viele davon aus, dass die Regierung Meloni keinen Ärger wollte. Man fürchte sich vor einer neuen Flüchtlingswelle, die die Machthaber in Libyen als Vergeltung auslösen könnten. Yambio entgegnet: Die Opfer hätten Anspruch auf Gerechtigkeit.