Bei einem israelischen Luftangriff im Gazastreifen sind sieben Mitarbeitende einer internationalen Hilfsorganisation getötet worden. Dies, obwohl die geplanten Fahrten mit dem israelischen Militär koordiniert worden sein sollen. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat eingeräumt, dass die Hilfskräfte von World Central Kitchen «unbeabsichtigt» getötet worden seien. Das passiere in Kriegszeiten, sagte er in einer Videobotschaft. Christina Wille von der Sicherheitsberatung Insecurity Insight erklärt, wie schwierig Einsätze von Hilfsorganisationen in Krisengebieten sind.
SRF News: Wie können solche Vorfälle passieren, wenn klar ist, dass Hilfsorganisationen in einem Krisengebiet aktiv sind?
Christina Wille: Einsätze in Krisengebieten sind unglaublich gefährlich. Natürlich gelten zivile Organisationen und alle Zivilisten gemäss dem humanitären Kriegsrecht als geschützt, aber die Realität ist eine andere. Eine Ursache sind Sprengstoffwaffen, die als solche keine Unterscheidung zwischen Zivilisten und Kriegsbeteiligte treffen können. Somit ist das Risiko für Hilfsorganisationen in solchen Krisengebieten, wo Explosivwaffen weiträumig eingesetzt werden, sowieso sehr hoch.
Sich darauf vorzubereiten, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit.
Der Gazastreifen ist kleinräumig, die Menschen haben keine Fluchtmöglichkeiten. Gibt es überhaupt Möglichkeiten, so sicher zu arbeiten?
Normalerweise kontaktieren die Hilfsorganisationen die Konfliktparteien und lassen sich eine Sicherheitsgarantie versprechen. Sie geben damit auch genaue Informationen, wann sich Hilfspersonen wo bewegen. Im Prinzip wird davon ausgegangen, dass die Konfliktparteien diesen Einsatz auch schützen und ihn auf gar keinen Fall angreifen. Es ist zu klären, warum das diesmal nicht passiert ist.
Wie können sich Hilfsteams konkret auf die Situation im Gazastreifen vorbereiten?
Hilfsorganisationen bereiten sich sehr fundiert auf Einsätze in Krisengebieten vor. Das Problem in Gaza ist die geografische Situation. Das ist ein ganz enger Landstreifen, sehr dicht besiedelt, sehr dicht bebaut. Darauf werden ungeheure Mengen an Sprengstoff verwendet. Sich darauf vorzubereiten, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Die Hauptvorbereitung ist, dass man bei den Kriegsparteien humanitäre Zugänge anspricht und dass das Personal entsprechend ausgebildet ist. Dass sie die richtige Kleidung tragen und richtig kommunizieren. Die Situation bleibt sehr gefährlich.
Wie sehen die Opferzahlen von Hilfsorganisationen im Nahen Osten aus?
Über 150 Mitarbeitende von Hilfsorganisationen sind in den letzten Monaten in den besetzten palästinensischen Gebieten ums Leben gekommen. Das sind so viele Todesfälle, wie wir sie in der Vergangenheit in einem ganzen Jahr beklagen mussten. Die Zahl beim medizinischen Personal liegt noch viel höher – momentan bei ungefähr 450. Darunter sind Ärzte, Krankenschwestern, Notärzte. Die Zahl der Menschen, die im Konflikt ihr eigenes Leben riskieren, um anderen zu helfen, ist schockierend.
Es gibt viel zu viele Krisenherde, die in letzter Zeit auch aufgeflammt sind.
Wie sieht die Sicherheitslage für Hilfsorganisationen in anderen Krisengebieten aus?
Wir haben weltweit eine bedrückende Lage. Im Sudan ist die Situation nach wie vor sehr schwierig – so auch in der Ukraine, in Myanmar, Syrien und im Kongo. Es gibt viel zu viele Krisenherde, die in letzter Zeit auch aufgeflammt sind. Was die Hilfsorganisationen leisten müssten, übersteigt das, was im Moment möglich ist. Das ist einfach tragisch.
Das Gespräch führte Rachel Beroggi.