SRF hat mit Mohammed, einem palästinensischen Arzt in Gaza, der für «Médecins sans Frontières» tätig ist, telefoniert, und hat dabei einen Eindruck bekommen, wie der Alltag der Menschen dort derzeit aussieht.
Mohammed ist zu Hause an seinem Handy und jederzeit bereit, ins Treppenhaus zu rennen, wo er und seine Familie Schutz suchen, wenn die Bomben fallen. Zweimal während des Gesprächs schlagen hörbar Bomben ein. Er ist sich nicht sicher: «Soll ich jetzt wieder rennen oder nicht?» Luftschutzkeller gibt es keine, obwohl die Hamas viele unterirdische Tunnels gebaut hat.
Mohammed wohnt seit 20 Jahren in Gaza. Seine Kinder haben inzwischen vier Kriege erlebt. «Die Kinder reden nur noch über Raketen. Über die Art der Raketen. Sie wissen alles darüber. Sie sagen: ‹Schau, jetzt ist 12 Uhr, lass uns gehen, jetzt schlagen sie dann gleich wieder ein›», erzählt der Arzt.
Ich möchte, dass meine Kinder ein friedliches und normales Leben führen.
«Das ist nicht gut. Es ist nicht das Leben, das ich für meine Kinder will. Ich will, dass sie über anderes nachdenken. Ich möchte, dass sie ein friedliches und normales Leben führen», sagt Mohammed.
Auch seine Frau sage ihm, man könne so nicht leben. «Gestern sassen wir im Treppenhaus, wir fühlten das Feuer, als eine Bombe nicht weit von uns einschlug. Das Haus hüpfte regelrecht auf. Das macht einen verrückt. Was tun? Wohin gehen? Das ist der einzige Ort, an dem wir uns verstecken können.» Man könne nur hoffen, dass nichts passiert, dass das Haus stehenbleibt.
Doch wie lebt man in einer solch andauernden Extremsituation? Mohammeds Motivation, hier für Ärzte ohne Grenzen zu arbeiten, war, dass seine Eltern aus Gaza stammen. Er hatte das Privileg, als einer von wenigen ausserhalb von Gaza zu studieren. «Ich kam zurück, weil ich dachte, ich will etwas für meine Leute tun, das sind meine Wurzeln.» Irgendwie komme es dann schon gut, irgendwann werde es besser, habe er stets gehofft. Doch jetzt zeige sich: «Es wird nicht besser.»
Angst auch in Israel
Von den Raketenangriffen der Hamas am meisten betroffen, und das seit Jahren, sind die Menschen im Süden Israels, die an der Grenze zu Gaza leben, etwa in Aschkelon.
SRF traf Viktoria vor zwei Jahren, auch damals flogen gerade hunderte von Raketen der Hamas in Richtung der Stadt. Die israelische Raketenabwehr Iron Dome fängt die meisten, aber nicht alle ab. Teile fallen auf Wohngebiete.
Gerade ist ein Mann von einer solchen Rakete getötet worden. Er lieferte dem kleinen Restaurant, in dem Viktoria arbeitet, jeden Tag Gemüse und Früchte.
«Er arbeitete mit uns», sagt Viktoria. Was hatte er mit dem Nahostkonflikt, mit dem Streit zwischen der Hamas und Israel zu tun? «Das ist einfach nur traurig», sagt sie. Und es ist kein Einzelfall: Menschen wie er wohnen oft in ärmlichen Häusern, die über keinen guten Luftschutzkeller verfügen.
Wenn du als Kind schon in dieser Situation bist, ist das eben so.
Vor allem die Menschen im Süden Israels leben mit der dauernden Angst vor Raketen. Das zermürbt viele, wie das Beispiel der Kellnerin Viktoria eindrücklich zeigt.
Sie sagt, dass sie schon gar nicht mehr in den Luftschutzkeller renne. Sie habe resigniert. «Wenn du schon als Kind in dieser Situation bist, ist das eben so.» Und: «Wenn heute mein Tag ist zu sterben, dann ist das mein Schicksal.»
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