Die internationale Nothilfeorganisation MSF betreibt im Gazastreifen eine Trauma- und Brandverletzungsklinik. Vor drei Tagen wurde diese bei einem israelischen Luftangriff beschädigt. Laut dem Arzt und Koordinator für die medizinische Hilfe von MSF in Gaza, Mohammed Mughaisib, musste die Klinik deswegen vorübergehend schliessen.
«Zerstört wurden unser Sterilisationsraum und der Patientenwarteraum. Aber Gott sei Dank blieb unser Personal unverletzt.» Der Arzt lebt seit zwanzig Jahren in Gaza. Drei Kriege zwischen der Hamas und Israel hat er in dieser Zeit bereits erlebt – immer im Einsatz für MSF.
Zerstörte Strassen sind ein Problem für die Ambulanzen.
«Dieser vierte Krieg ist schrecklicher: die Zerstörung ist viel grösser», sagt Mughaisib. Im Gegensatz zum Krieg 2014 gebe es jetzt mehr zerstörte Infrastruktur: Betroffen seien die Wasserversorgung und das Abwasser. Auch sehe er zum ersten Mal so viele zerstörte Strassen. Das sei ein Problem für die Ambulanzen. «Diese haben Mühe, zu den Verletzten zu gelangen», sagt der Arzt.
Zudem gebe es im Gegensatz zu 2014 auch keinen humanitären Korridor: also keine Zusicherung der Israelis, dass medizinisches Personal vom Norden in den Süden des Gazastreifens gelangen kann, ohne Luftangriffe fürchten zu müssen.
Der Arzt und sein Personal setzten alles daran, dass ihre beschädigte Klinik ab heute wieder Verletzte behandeln kann. Denn es gebe viele Explosions- und Brandverletzungen.
Zerstörte Hauptstrassen
Und das nicht erst jetzt: Die MSF-Klinik hat rund 1000 Patientinnen und Patienten, die noch immer an den Folgen solcher Verletzungen von früheren Kriegen und gewaltsamen Konfrontationen leiden.
Sie brauchen ständige medizinische Pflege. Weil viele Hauptstrassen zerstört seien, könnten die Patientinnen und Patienen nicht zur Klinik gelangen.
«Viele Brandwunden, keine Transportwege, und dazu sind noch 40'000 Menschen in Schulen der UNO geflüchtet, weil sie ihre Häuser verloren haben oder Schutz vor den Luftangriffen suchen. Darunter sind Patienten, die dringend Verbandwechsel brauchen: Wir tun unser Bestes, sie hierher zu bringen» sagt Mughaisib.
Schon vorher belastete Spitäler
Eine weitere grosse Herausforderung sei der Nachschub von dringend benötigten Medikamenten und zusätzlichem medizinischen Personal. Auch Blutreserven in den Spitälern seien knapp, sagt der MSF-Arzt. Zwar koordiniere MSF mit den Israeli, manchmal machten diese die Grenze zu Gaza jedoch früher zu als angekündigt.
Gaza hat zu wenig Coronatests und Impfungen.
Nicht vergessen dürfe man die Coronakrise. Die Spitäler seien deswegen schon vorher überlastet gewesen. «Gaza hat zu wenig Coronatests und Impfungen. Wir machen uns jetzt erst recht Sorgen um die Ausbreitung des Virus.»
Kein Luftschutzkeller: nur ein Treppenhaus
Im Gazastreifen gibt es unterirdische Tunnels, in denen die militante Hamas, die den Gazastreifen kontrolliert, ihre Waffen und Kämpfer versteckt. Luftschutzkeller für die Zivilbevölkerung gibt es jedoch keine. Bei einem Luftangriff muss Mohammed Mughaisib mit seiner Frau und seinen drei Kindern behelfsmässig Schutz suchen.
«Wir setzen uns alle zusammen ins Treppenhaus, wo es keine Fenster hat, weil wir denken, da ist es wohl am sichersten.» Der Arzt hofft, dass es bald einen Waffenstillstand gibt. Bis dann versucht er, Verletzte, sich selbst und seine Familie zu retten, so gut wie es geht.