Ihre Mutter musste Nadia Mohammed Issa im Schutz der Dunkelheit begraben. «Tagsüber hätten Scharfschützen auf uns geschossen.» Darum ging es in der Nacht zum Friedhof.
In Westdarfur kann sogar eine Beerdigung tödlich sein. Die 26-jährige Studentin lebte mit ihrer Familie in der Stadt al-Dschunaina. Arabische Milizen attackieren dort derzeit Angehörige anderer Ethnien. «Araber gegen Afrikaner», nennen es die Menschen.
Studentin Mohammed gehört zum Volk der Masalit. Sie suchte mit ihrer Mutter Schutz bei einer Schule, als Granaten einschlugen. Die Mutter verstarb im Spital.
Riskante Flucht
Nadia Mohammed hat überlebt und ist nun in Adré, einer Grenzstadt im Nachbarland Tschad. Die Flucht war kurz, nur 25 Kilometer, doch brandgefährlich. Milizen stoppten die Reisegruppe, erzählt die junge Frau: «Die Männer unserer Gruppe mussten sich der Reihe nach hinsetzen. Dann kam ein Junge mit Gewehr und erschoss einen nach dem andern.» Der Todesschütze sei kaum 12-jährig gewesen.
Die Erzählungen der Geflüchteten aus Darfur gleichen sich. Es sind Geschichten von Hinrichtungen, Vergewaltigungen und Plünderungen. Laut UNO-Hilfswerk UNHCR sind in der Kleinstadt Adré binnen einer Woche rund 25'000 Menschen eingetroffen.
Überforderte Hilfsorganisation
Auf dem Gelände des Gymnasiums von Adré ist in den letzten Tagen ein Flüchtlingslager gewachsen. Die Geflüchteten bauen aus Tüchern und Ästen behelfsmässige Zelte. Diese schützen gegen die Sonne – doch nicht gegen den Regen. Es gibt wenig Trinkwasser, kaum Essen. Die Hilfsorganisationen sind ob der schieren Masse an Menschen überfordert.
Im Spital von Adré liegen die Verletzten in Zelten auf dem Boden. Das Bein von Abdelmadid Ibrahim Adam wurde mit einer Kartonschachtel notdürftig geschient und verbunden.
Der 30-Jährige hat einen Oberschenkeldurchschuss erlitten. «Natürlich ist das kein Zustand hier im Spital, doch ich habe keine Wahl.» Die Organisation Ärzte ohne Grenzen zählte über 900 Verletzte, welche innert weniger Tage ankamen.
Keine Rückkehr nach Darfur
Auch Englischlehrer Bechir Gamaraldin aus al-Dschunaina hat es ins sichere Tschad geschafft. Die arabischen Milizen hatten den Masalit erwischt und wollten ihn töten, wie er erzählt. «Ich sagte, ich sei ein Lehrer und würde in der Schule unsere Probleme nicht thematisieren. Ich kann nicht mal eine Waffe bedienen.»
Gamaraldin kam mit dem Leben davon. Zurück nach Darfur will er nicht mehr – wie die meisten der 140’000 neu angekommenen Flüchtlinge in Tschad. «Wir haben seit zwanzig Jahren nur Probleme, es reicht.»