Lächeln fürs Gruppenfoto, besorgte Mienen am Verhandlungstisch, eine feierlich verkündete Schlusserklärung: So verlaufen üblicherweise die G20-Gipfel mit den Staats- und Regierungsoberhäuptern der grössten Wirtschaftsmächte, darunter die USA, China, Japan und, als Organisation, die EU.
Doch der Gipfel, der in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi beginnt, droht zu floppen. Gastgeber Narendra Modi, der indische Premierminister, kann schon froh sein, wenn es überhaupt eine Schlusserklärung gibt. Weshalb, erklärt Sebastian Ramspeck, der für SRF vom Gipfel berichtet.
Welche Erwartungen gibt es ans Treffen?
Selten ist ein G20-Gipfel mit so viel Pomp in Szene gesetzt worden. Neu-Delhi ist sauber wie noch nie, und die indische Regierung hat sogar G20-Yoga-Events ausgerichtet. Modi will Indien als Grossmacht auf Augenhöhe mit den USA und China präsentieren. Doch der Pomp steht im Kontrast zu den konkreten Erwartungen. Erstmals überhaupt könnte ein G20-Gipfel ohne Schlusserklärung zu Ende gehen. Zumal bereits die Vorbereitungstreffen auf Ministerstufe ohne Einigung geblieben sind.
Wo liegt das Problem?
Die Spannungen zwischen den Grossmächten sind grösser denn je. Die westlichen Regierungschefs wollen, dass zumindest «die meisten» G20-Staaten den Krieg Russlands gegen die Ukraine «scharf verurteilen» – darauf nämlich hatte man sich auf dem letzten G20-Gipfel geeinigt. Doch Russland, bloss von Aussenminister Sergej Lawrow vertreten, will einer solchen Kompromissformel nicht mehr zustimmen. Auch in der Klimapolitik sind Kompromisse schwierig zu erzielen. Nur schon, weil das Gastgeberland Indien rund 70 Prozent des Stroms mit klimaschädlicher Kohle erzeugt.
Wo ist eher mit Einigkeit zu rechnen?
Ein weiteres Thema sind die hochverschuldeten armen Staaten, denen ein Schuldenerlass in Aussicht gestellt werden könnte. Auch die Digitalisierung soll Thema sein, etwa eine engere Zusammenarbeit bei Digitalwährungen. In diesen Fragen könnten die Staaten gewillt sein, ein Minimum an Kooperationswillen an den Tag zu legen.
Warum bleibt der chinesische Präsident Xi Jinping dem Gipfel fern?
Bisher hat Xi sein Land stets persönlich an den G20-Gipfeln vertreten, fürs Fernbleiben gibt es keine offizielle Erklärung. Ein Grund könnten die Spannungen mit dem Gastgeberland Indien sein. Ein anderer die immer bedrohlichere Wirtschaftskrise in China. Jedenfalls entzieht sich Xi damit jenem Dialog zwischen den Grossmächten, den er in seinen Reden gerne propagiert.
Wie könnte eine Einigung dennoch zustande kommen?
Für Modi ist der G20-Gipfel eine Prestigeveranstaltung. Auch für ein dürres Schlusscommuniqué dürfte ihm jede diplomatische Verrenkung recht sein. Die Existenzberechtigung der G20-Gruppe steht ohnehin zur Debatte. 1999 war sie gegründet worden, um globale Krisen zu bewältigen. Dazu ist sie kaum noch in der Lage. Dies aber wollen viele G20-Diplomaten nicht eingestehen – und lassen sich am Ende vielleicht auf Verrenkungen ein, die einem Power-Yoga-Event gut anstehen würden.