Eine vierspurige Autobahnbrücke in einem Vorort der Wirtschaftsmetropole Mumbai. Rechts und links fällt der Blick auf ausgedehnte, grüne Mangrovenwälder. Sie sind von Meerwasser umspült. Doch das Paradies ist durch grosse Bauprojekte bedroht. Darunter leidet der Fischer und Umweltaktivist Nandakumar Pawar.
Es sei sehr unglücklich, dass die Regierung Grossprojekte an der Küste plane. «Jedes dieser Projekte zerstört Mangroven, Fischgründe und Biodiversität – und richtet damit grosse Schäden an der Umwelt an.» Pawar zeigt mit der Hand auf die Mangrovenwälder. Genau in dieser Bucht sei zum Beispiel ein Hochgeschwindigkeitszug geplant, es sei ein Vorzeigeprojekt der Regierung von Premierminister Narendra Modi. Dafür würden bis zu 21'000 Mangroven abgeholzt, sagt der Aktivist. Eigentlich hätten es mehr als doppelt so viele sein solle, aber ein Gerichtsurteil habe das verhindert.
Das alles geschehe im Namen der Entwicklung, kritisiert Pawar. «Aber wir Fischer zahlen einen hohen Preis für diese Entwicklung. Und bekommen nichts zurück.»
Strassenprojekte durch Naturschutzzonen
Gut möglich, dass der Fischer noch öfter enttäuscht wird. Nach Angaben des indischen Umweltministeriums vom Februar sollen weitere 2,3 Millionen Bäume für Mega-Infrastrukturprojekte wie Häfen, Flughäfen, Schnellstrassen und Kraftwerke aus dem Weg geräumt werden. Ein Teil der neuen Strassenprojekte verlaufe quer durch Naturschutzzonen.
Passend zu den Plänen hat das Parlament, mit einer Mehrheit der Regierungspartei BJP, gerade eine umstrittene Neufassung des Waldschutzgesetzes verabschiedet. Das Gesetz könnte die Abholzung deutlich erleichtern, befürchtet die Wissenschaftlerin Prerna Singh Bindra, die an der Universität Cambridge forscht. Sie hatte sich mit vielen anderen Kritikerinnen und Kritikern in einer Resolution gegen das Gesetz ausgesprochen.
Eines der Ziele dieses Waldgesetzes sei es, die Versprechen der Regierung mit Blick auf Klima und Nachhaltigkeit zu erfüllen, sagt Bindra. «Aber dieses Versprechen wird nicht erfüllt. Stattdessen wird der Schutz des Waldes geschwächt, der wichtig für den Klimaschutz ist.» Denn für grosse Teile des indischen Waldes sei künftig keine vorgängige Umweltprüfung mehr notwendig, bevor Bäume abgeholzt werden. Ausserdem schaffe das neue Gesetz Schlupflöcher, die die Abholzung erleichtern dürften.
Gummibegriff «nationales Interesse»
So wird zum Beispiel Abholzung für Infrastrukturprojekte in «nationalem Interesse» vereinfacht – eine dehnbare Formulierung, die leicht missbraucht werden kann. Das Fazit der Wissenschaftlerin: Das neue Forstgesetz werde nicht helfen, die Net-Zero-Versprechen der indischen Regierung und diverse andere Klimaversprechen zu erfüllen. Ganz im Gegenteil. Auch der Fischer und Umweltaktivist Nandakumar Pawar ist nicht überzeugt, dass die Regierung ihre Klimaversprechen ernsthaft genug umsetzt.
«Es ist ja gut, dass unser Premierminister auf die globale Bühne geht und über Klimawandel spricht. Aber er muss auch wissen, was hier bei den normalen Leuten passiert», sagt Pawar. «Dass hier die Mangrovenwälder zerstört werden. Unsere Fischgründe kaputtgehen.» Und dass diese diversen Infrastrukturprojekte ein ökologisches Desaster anrichteten.