Aus für letzten Orban-kritischen Nachrichtensender: In Ungarn ist einer der letzten regierungskritischen Fernsehsender zerschlagen worden. Der Besitzer des Nachrichtensenders Hir TV, der mit Premierminister Viktor Orban zerstrittene Lajos Simicska, verkaufte den Sender an den Orban-Vertrauten Zsolt Nyerges. Damit wird die Medienmacht der regierenden Fidesz Partei im Land zementiert. Der Verkauf von Hir TV kam nicht gänzlich unerwartet – seit Juli habe die Gerüchteküche gebrodelt, sagt die Korrespondentin der NZZ, Meret Baumann, gegenüber SRF.
Journalisten vor die Wahl gestellt: Den Journalisten von Hir TV wurde vom neuen Besitzer angeboten, entweder den neuen Kurs mitzutragen oder zu gehen. Knapp die Hälfte der Angestellten zog daraufhin die Entlassung einer künftigen regierungfreundlichen Berichterstattung vor. Keine Wahl hätten die beiden Aushängeschilder des Senders gehabt, welche eine politische Talkshow moderierten. Sie seien umgehend entlassen worden, so Baumann. «Am Tag der Übernahme wurde statt ihrer Talkshow eine programmatische Rede Orbans ausgestrahlt.»
Dubiose Figur Simicska: Der bisherige Besitzer des Senders Hir TV ist ein früherer Vertrauter und Jugendfreund Orbans. Auch war Simicska über Jahre ein wichtiger Financier der Fidesz-Partei. 2014 zerstritten sich Simicska und Orban allerdings, woraufhin Simicska seine Medien auf einen regierungskritischen Kurs verpflichtete. In einem Interview nannte Simicska Orbans autoritäre Züge als Grund dafür. Doch die wahren Gründe für den Bruch dürften andere sein: «Es ging wahrscheinlich um die Macht. Für Orban ist Simicska zu mächtig geworden», sagt Korrespondentin Baumann.
Kaum mehr unabhängige Berichterstattung: Mit dem Coup gibt es in Ungarn praktisch keine regierungskritischen Medien mehr. Baumann nennt zwei Zeitungen und einige Web-Portale, die sich noch der unabhängigen Berichterstattung verschrieben hätten. Das Problem dabei: Diese Medien erreichten allenfalls die höhere Mittelschicht und die gut ausgebildete Elite. «Die breite Masse erreicht man über das Fernsehen und die einflussreichen Regionalmedien», so Baumann. Doch unabhängige TV-Sender gebe es keine mehr und die Regionalmedien seien schon 2016 grösstenteils unter die Kontrolle von Orban-Vertrauten gekommen.
Nicht alle sind unzufrieden: Die breite Masse störe sich nicht an der einseitigen Berichterstattung – oder realisiere die Einseitigkeit gar nicht, stellt Baumann fest. In intellektuellen oder linken Kreisen sei die Medienfrage sehr wohl ein Thema, sogar manche Fidesz-Wähler störten sich inzwischen daran, dass die öffentlich-rechtlichen TV-Sender quasi zu Propagandasendern der Fidesz verkommen seien. «Doch das bringt die breite Masse nicht auf die Strasse.»
Orban agiert sehr geschickt: Die Regierung erreicht ihre Kontrolle über praktisch alle wichitgen Medien in Ungarn ohne rechtliche Einschränkung der Medienfreiheit: «Orban hat das über die wirtschaftliche Schiene gemacht», sagt Baumann. So inserierten Regierung und staatsnahe Betriebe seit langem nicht mehr in regierungskritischen Medien. Gleich verhielten sich auch Unternehmen, die auf Aufträge von der Regierung hofften. «So werden die regierungskritischen Medien ausgehungert.» Auf dem Papier sei die jetzige Mediensituation in Ungarn deshalb auf wirtschaftliche Gründe zurückzuführen – nicht auf politische, stellt die Korrespondentin fest.