Griechenland kehrt allmählich in die Normalität zurück. Seit Montag sind landesweit unter strengen Auflagen Tavernen, Bars und Cafés wieder geöffnet. Auch dürfen Griechinnen und Griechen wieder auf die Inseln fahren. In den vergangenen Wochen war dies nur ständigen Bewohnern der Inseln erlaubt. Touristen aus dem Ausland müssen sich noch gedulden, wie Rodothea Seralidou, Journalistin vor Ort, berichtet.
SRF News: Wie wichtig ist der Inlandtourismus wirtschaftlich gesehen für die Inseln?
Rodothea Seralidou: Man kann sagen, er ist besser als nichts. Er rettet die Inseln aber nicht. Nach Angaben des griechischen Tourismusverbandes betrugen letztes Jahr die Einnahmen aus dem Binnentourismus lediglich ein Zehntel der Einnahmen, die den ausländischen Touristen zu verdanken waren. Ausserdem geht die Tourismusbranche davon aus, dass auch die Griechinnen und Griechen dieses Jahr – wenn sie überhaupt in die Ferien fahren – nicht viel Geld zum Ausgeben haben werden.
Ab dem 1. Juli dürfen Touristen aus dem Ausland wieder ins Land reisen. Menschen aus sogenannt sicheren Ländern sollen sogar früher in Griechenland einreisen dürfen. Was ist zu erwarten?
Ende Mai will die griechische Regierung bekannt geben, welche Länder das sein werden. Es sind solche, die im Moment ein niedriges Corona-Risiko haben. Es werden Zypern, Israel, Österreich und auch Balkanländer wie Bulgarien und Nordmazedonien sein. Mit einigen Ländern werden zurzeit bilaterale Verhandlungen geführt, um gemeinsame Gesundheitsstandards festzusetzen.
Es ist jetzt schon sicher, dass die Einnahmen aus dem Tourismus stark sinken werden.
Das soll dem Tourismus einen ersten Schub geben. Es ist aber jetzt schon sicher, dass die Einnahmen aus dem Tourismus stark sinken werden. Der Juli und der August sind die wichtigsten Monate für Griechenland, und derzeit wissen viele Hoteliers noch nicht, ob sie überhaupt aufmachen können, damit sich der Aufwand dieses Jahr lohnt.
Für einige Inseln wie Mykonos oder Santorini ist die Öffnung für den Tourismus überlebensnotwendig. Ist das Land dafür gerüstet?
Es wird alles der Nachfrage angepasst. Wenn die Hoteliers sehen, dass die Nachfrage steigt, machen sie ihr Hotel auf und stellen dementsprechend mehr Personal ein. Im Moment sieht es danach aus, dass viele abwarten und erst im Juli oder im August diesen Schritt gehen werden. Das wird dazu führen, dass Tausende Arbeitnehmende im Tourismus ohne Arbeit dastehen werden.
Griechenland hat eine zehnjährige Finanzkrise hinter sich.
Die griechische Regierung will das Sicherheitsgefühl der Touristen und der Einheimischen weiter stärken, indem sie das Gesundheitssystem auf den Inseln ausbaut. Auf den grossen Inseln wie Kreta und Rhodos schafft sie mehr Betten in den Intensivstationen. Und die Inseln werden besser untereinander vernetzt, sodass Coronapatienten schnell versorgt werden können.
Griechenland hat die Coronakrise relativ gut überstanden. Wäre es trotzdem nicht sinnvoller, dieses Jahr auf ausländische Touristen zu verzichten?
Aus medizinischer Sicht wäre es in der Tat sinnvoller. Aber genau wie überall auf der Welt muss auch Griechenland gesundheitliche Risiken gegen wirtschaftliche Aspekte abwägen, denn Griechenland hat eine zehnjährige Finanzkrise hinter sich.
Die griechische Wirtschaft ist in erster Linie der Tourismus.
Jetzt wird nochmals mit einem Einbruch von bis zu 10 Prozent gerechnet und mit einem erneuten Anstieg der Arbeitslosigkeit. Die griechische Wirtschaft ist in erster Linie der Tourismus. Von da her muss die Regierung – um die Wirtschaft anzukurbeln – ein gewisses Risiko auf sich nehmen.
Das Gespräch führte Claudia Weber.