Sommer 2019 auf der Insel Rhodos: Touristen schlendern durch die malerischen Gassen der mittelalterlichen Altstadt, schauen sich Souvenirs an, machen Fotos. Dieses Jahr hingegen werde alles anders sein, sagt der Hotelier Aris Soulounias, Vizepräsident des griechischen Hotelverbandes.
Normalerweise würden die Hotels der Insel schon im April öffnen, doch jetzt wisse man nicht, ob und wann man aufmachen könne. «Wir stehen alle vor einer ungewissen Zukunft», sagt Soulounias.
Die Reiseveranstalter warten die Entscheidungen ihrer Regierungen ab, andere haben Rhodos wie auch die Insel Kos bereits von ihren diesjährigen Reisezielen komplett gestrichen.
Ohne Touristen kein Einkommen
Dabei leben die griechischen Inseln buchstäblich von den Einnahmen aus der Sommersaison. Auch landesweit ist der Tourismus der wichtigste Wirtschaftszweig: 2019 besuchten 34 Millionen Touristen das Land und tragen damit direkt rund 20 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei, indirekt sogar etwa 36 Prozent.
Doch dieses Jahr sind die Prognosen düster. Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet, dass das griechische BIP um 10 Prozent sinken wird. Im Vergleich: Für Italien rechnet der IWF mit minus 9 Prozent, für Spanien mit minus 8 Prozent.
Die Prognose sei realistisch, sagt Wirtschaftsprofessor und Leiter des griechischen Instituts für Wirtschaftsforschung, Nikos Vettas. Eigentlich habe man für 2020 ein Wirtschaftswachstum von 2.5 Prozent prognostiziert.
Regierung hat keine Reserven
Wieso aber wird Griechenland härter getroffen als alle anderen EU-Länder? «Wir haben gerade eine zehnjährige Wirtschaftskrise hinter uns, die griechische Wirtschaft ist schwach. Ausserdem basiert sie nicht auf der Exportwirtschaft, sondern auf dem Tourismus und dem Transport und damit in Bereichen, die die Corona-Krise besonders hart getroffen hat», sagt Vettas. Zudem habe die Regierung keinen finanziellen Spielraum für Hilfspakete.
Athen unterstütze nach Möglichkeit betroffene Unternehmen und Haushalte, etwa mit Steuererleichterungen und kleineren Finanzhilfen. Doch das sei nicht zu vergleichen mit Mammutpaketen wie jenem in Deutschland, sagt Vettas. Das berge das Risiko, dass griechische Unternehmen langfristig mit den europäischen Konkurrenten nicht mithalten könnten.
EU muss helfen
Wirtschaftsprofessor Vettas begrüsst die Entscheidung der EU-Staats- und Regierungschefs zur Schaffung eines Corona-Wiederaufbaufonds. Denn gerade die kleinen EU-Länder seien nun auf die Hilfe der Europäischen Union angewiesen. «Sie brauchen Hilfe auch direkt vom europäischen Etat. Nur so kann sich ihre Wirtschaft wieder erholen.»
Das sieht auch die griechische Regierung so. Zudem drängt Premierminister Kiriakos Mitsotakis auf eine gemeinsame Linie in der EU zur Wiederaufnahme des Flugverkehrs. Brüssel müsse ein positives Zeichen setzen und den vom Tourismus abhängigen Süden unterstützen.
Einheitliche Lösungen auf EU-Ebene, wie etwa die Einführung eines Gesundheitspasses für Reisende innerhalb der EU, hält auch Aris Soulounias vom griechischen Hotelverband für wichtig. Zwar sei die diesjährige Sommersaison wohl nicht mehr zu retten. Mit den richtigen Massnahmen könnte sich die Branche aber an die veränderten Umstände anpassen. In der Hoffnung, dass sich der Tourismus in den kommenden Jahren von diesem Schock erholt.