«The shipping forecast issued by the Met Office, on behalf of the Maritime and Coastguard Agency…»
Es ist das Erste, was man morgens im Äther hört. Und das Letzte, was man nach Mitternacht vernimmt. Eine geheimnisvolle Abfolge von Lautungen und Chiffren.
«There are warnings of gales in Biscay, FitzRoy, Sole, Fastnet, Shannon and Rockall.»
So verlässlich wie Ebbe und Flut werden sie täglich mit leicht pastoraler Stimme auf «BBC Radio 4» verlesen. Die Shipping Forecasts. Sie bewahren die Einen am Leben. Andere schaukeln sie in den Schlaf. Rockall. Viking. Trafalgar. Die genaue Bedeutung der maritimen Bulletins bleiben den meisten Landratten verborgen, aber der Sinn ist klar; man lebt auf einer Insel, umspült von einem unberechenbaren Meer.
Wenn der Küchentisch zu schaukeln beginnt
Man glaubt nachts selbst in London zu spüren, wie der Küchentisch leicht zu schaukeln beginnt, während sich aus dem Radio, neben Isobaren und Windstärken, der Geruch von Salzwasser und Pfeifenrauch verbreitet. Stets von leichtem Fernweh und Abenteuer umfächelt.
Als Inselbewohner und Seefahrernation hören wir am Radio, was uns auf dem Meer erwartet, wenn wir den Hafen verlassen. Nachts auf der Brücke auf hoher See sind sie eine Leine zur Heimat, damit wir nicht vergessen, woher wir kommen.
Auch im Zeitalter der Satellitennavigation seien die Seewetter-Nachrichten am Radio unersetzlich, erklärte mir kürzlich ein alter Kapitän auf den Shetland Inseln. «Als Inselbewohner und Seefahrernation hören wir am Radio, was uns auf dem Meer erwartet, wenn wir den Hafen verlassen. Nachts auf der Brücke auf hoher See sind sie eine Leine zur Heimat, damit wir nicht vergessen, woher wir kommen.»
Ins Leben gerufen wurden die Shipping Forecasts vor hundert Jahren. Präzisere Instrumente machten Wettervorhersagen möglich. Und dank Radio-Langwellen konnten diese auch auf hoher See empfangen werden. Das Meer rund um die britischen Inseln wurde in 31 maritime Zonen eingeteilt – von Island bis in die Biskaya. Jeden Abend werden sie im Uhrzeigersinn verlesen. Standardisierte, meteorologische Bulletins. 370 Worte. Keines zu viel. Keines zu wenig.
«Trafalgar: Southwest 3 to 5, becoming variable 2 to 4. Rough or very rough, occasionally moderate in southeast. Fair. Good.»
Nur gerade eine Seegegend trägt keinen geografischen Namen: Fitzroy im Atlantik. Benannt nach dem Schöpfer der Shipping Forecasts, Admiral Robert FitzRoy. Auf seinem moosbewachsenen Grab im Nordosten von London ein Satz des Predigers Salomon: «Der Wind weht nach Süden, er dreht nach Norden, er dreht und dreht und weht und kommt zurück zum Ausgangspunkt.»
Für viele sind die «Shipping Forecast» ein tägliches Stück Poesie. «Musik gewordene Sprache», sagte kürzlich ein BBC-Sprecher in einem Interview. Wenn er nach Mitternacht die Bulletins im Studio verlese, habe er Musik im Ohr. Seit hundert Jahren bringen die Shipping Forecasts Seeleuten nachts auf dem rauen Atlantik Zuversicht und Landratten unter der warmen Bettdecke den Schlaf.