Wer die Umwelt zerstört, soll dafür bestraft werden, fordern die Staaten Vanuatu, Fidschi und Samoa. Die Länder im Pazifik wollen, dass der Internationale Strafgerichtshof auch den sogenannten Ökozid unter Strafe stellt, wie Kriegsverbrechen oder Völkermord. Astrid Epiney hat sich als Rechtsprofessorin mit dieser Frage befasst und erklärt, wie es um einen Straftatbestand Ökozid steht.
SRF News: Was würde die Anerkennung eines Tatbestandes Ökozid genau bedeuten?
Astrid Epiney: Der Internationale Strafgerichtshof ist zuständig für die Verfolgung von gewissen, besonders schweren Straftaten, die von Individuen begangen werden. Der Katalog dieser Straftaten ist heute beschränkt auf Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Verbrechen der Aggression und Kriegsverbrechen. So könnte gegen Personen ein Haftbefehl ausgestellt werden, die des Ökozids beschuldigt werden. Doch selbst wenn es einen neuen Straftatbestand gäbe – das muss man sich bewusst sein – würde das nicht gleich morgen zu einer Verbesserung der Umweltqualität führen. Allfällige Wirkungen würden mit einer gewissen Verzögerung eintreten. Und es müsste genau festgelegt werden, was als Ökozid gilt.
In den letzten Jahren haben wir auf nationaler und auf supranationaler Ebene durchaus Entwicklungen zu verzeichnen.
Wie realistisch ist es, dass dies bald eingeführt wird?
Im Augenblick scheint mir das nicht gerade vor der Tür zu stehen. Es ist aber doch zu beobachten, dass wir in den letzten Jahren auf nationaler und supranationaler Ebene durchaus Entwicklungen zu verzeichnen haben. Es gibt immer mehr Staaten, die ihr Umweltstrafrecht ausweiten. Es gibt zum Beispiel in der EU eine Richtlinie, welche die Mitgliedstaaten verpflichtet, bestimmte Umweltstraftaten unter Strafe zu stellen, also ein entsprechendes Umweltstrafrecht zu entwickeln.
Diese EU-Richtlinie geht übrigens noch weiter als ein sogenannter Ökozid. Denn damit sind auch «ganz normale» Umweltstraftaten erfasst. Es kann also angesichts des Klimawandels und der vermehrten Aufmerksamkeit für Probleme wie denjenigen der drei genannten Inselstaaten relativ schnell gehen, bis sich der politische Wille der Vertragsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofs ändert.
Schon seit Jahren gibt es Versuche, Ökozid als Verbrechen anzuerkennen. Zum Beispiel wurde 2010 bei der UNO ein entsprechender Vorstoss gemacht. Woran ist die Anerkennung bis jetzt gescheitert?
Eines der Hauptprobleme dürfte sein, dass die Frage, was eigentlich ein Ökozid ist, schwierig zu beantworten ist. Bei den anderen Straftaten, für die heute der Internationale Strafgerichtshof zuständig ist – von dem Verbrechen der Aggression abgesehen – also beim Genozid oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit, gibt es Völkerrechts- und Gerichtspraxis.
Eine Gerichtspraxis hat man bei Ökoziden in keinster Weise.
Man kann diese Straftatbestände relativ gut einschränken. Eine solche Praxis hat man beim Ökozid in keinster Weise. Die Akzeptanz des Strafgerichtshofs selbst hängt aber davon ab, dass Staaten Personen, gegen die ein Haftbefehl ausgestellt wurde, dann tatsächlich ausliefern. Diese Akzeptanz ist bei den ganz schweren Verbrechen wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen relativ verbreitet.
Das Gespräch führte Yves Kilchör.