Zum Inhalt springen

Grüner Kanzlerkandidat Habeck «Die richtige Antwort auf ‹America first› ist ‹Europe United›»

In vier Wochen finden in Deutschland Neuwahlen statt. Die Grünen liegt in Umfragen derzeit fast gleichauf mit der SPD. Gut möglich also, dass sie nach den Wahlen trotz Verlusten wieder Teil der Regierung werden könnten. Am Weltwirtschaftsforum in Davos spricht der grüne Kanzlerkandidat Robert Habeck über den Wahlkampf, Europa und die Krisenbewältigung.

Robert Habeck

Wirtschaftsminister, Vizekanzler und Grünen-Kanzlerkandidat

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Der Grünen-Politiker Robert Habeck, geboren 1969, studierte in Freiburg, Roskilde (Dänemark) und Hamburg Philosophie und Germanistik und promovierte 2000 in Literaturwissenschaft. In der Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP amtet er als Wirtschaftsminister. Für die Bundestagswahlen 2025 stellt er sich als Kanzlerkandidat seiner Partei auf.

SRF News: Vor Ihrer politischen Karriere haben sie unter anderem das Buch «Jagd auf den Wolf» geschrieben. Fühlen Sie sich im gehässigen Wahlkampf manchmal auch als Gejagter?

Robert Habeck: Nein. Und es ist auch noch gar nicht so ein gehässiger Wahlkampf. Die Zeit ist kurz und alle kämpfen um die Stimmen.

Ich fühle mich nicht als Gejagter, ganz im Gegenteil.

Da passiert jeden Tag was Neues, häufig auch von aussen und keine schönen Dinge. Aber im Moment ist das alles noch im Rahmen der Messgenauigkeit. Also ich fühle mich nicht als Gejagter, ganz im Gegenteil. Und «Jagd auf den Wolf» ist auch ein Buch über die Rettung eines Wolfs.

Nach drei Jahren als Vizekanzler und Wirtschaftsminister: Was würden Sie anders machen, wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten?

Ich würde dann mit dem ersten Tag des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine, als klar war, dass uns das die Gas-Unterstützung aus Russland kosten würde, ein grosses Konjunkturpaket auflegen. Wir haben eine tiefe Rezession, die damals vorhergesagt war, abgewehrt, aber eine sich jetzt sehr hartnäckig festsetzende Stagnation. Das ist nicht befriedigend und ausreichend. In normalen Krisenzeiten hätte man ein grosses Konjunkturprogramm gebaut. Das war damals in der Ampel politisch nicht möglich. Aber wenn ich noch mal zurückgehen könnte und mir was wünschen dürfte, das hätte ich getan.

Gleich drei Kanzlerkandidaten am WEF in Davos

Box aufklappen Box zuklappen

In der heissen Phase des deutschen Wahlkampfs reisten mit Kanzler Olaf Scholz (SPD), dessen Vize Robert Habeck (Bündnis-90/Die Grünen) und Friedrich Merz (CDU) drei Kanzlerkandidaten ans Weltwirtschaftsforum in Davos.

Umfragen sehen die Union von Merz derzeit vor der rechten Alternative für Deutschland um deren Spitzenkandidatin Alice Weidel. Die Grünen liegt derzeit fast gleichauf mit der SPD.

Der neue US-Präsident Donald Trump etwa setzt kompromisslos auf das Recht des Stärkeren. Muss auch Deutschland künftig die eigenen Interessen rücksichtsloser vertreten?

Das wäre die falsche Antwort. Die richtige Antwort auf «America first» ist «Europe United». Europa ist ein starker Binnenmarkt, ein starker Wirtschaftsraum. Jetzt gibt es ja auch eine gute Beziehung mit der Schweiz, was ich sehr richtig finde. Und das muss gehalten werden, dann können wir einen Unterschied machen. Donald Trump will das Gegenteil. Er will Europa spalten und vielleicht sogar die Europäische Union zerstören oder greift sie zumindest an. Deswegen wäre jetzt das Falscheste, wenn jeder Staat an sich selber denkt. Wir müssen Europa zusammenhalten, Europa stärken, geschlossen und entschlossen.

Immer unter Druck agiert Europa stark und geschlossen.

Schon in der ersten Amtszeit Trumps gab es die Forderung, aber passiert ist das nicht. Mit Blick auf den Ukrainekrieg spielen ausschliesslich die USA geopolitisch wirklich eine Rolle, auch in Europa.

Jein. Es ist schon viel passiert. Immer unter Druck agiert Europa stark und geschlossen. Das ist bei der Covid-19-Pandemie so gewesen. Das war auch im ersten Jahr des Angriffskrieges auf die Ukraine so, sowohl militärisch als auch, was Energiesolidarität angeht. Viele Dinge sind danach wirklich schnell und gut vorangebracht worden. Es gab Solidaritätsabkommen. Das erlischt jetzt gerade wieder etwas und es droht auszufasern. Wir stehen unter Druck. Das sind jetzt existenzielle Herausforderungen für die liberalen Demokratien. Und entsprechend hoffe ich darauf, dass das Verständnis bei allen das Gleiche ist und Europa jetzt die nächsten Einigungsschritte geht, in der Sicherheitspolitik, in der Finanzpolitik, in der Wirtschaftspolitik, in der digitalen Politik, einen Binnenmarkt schafft und dann einen Aufbruch organisiert.

Das Gespräch führte Sebastian Ramspeck.

Wahlen in Deutschland 2025

Box aufklappen Box zuklappen
Legende: KEYSTONE/DPA/Anna Ross)

Deutschland soll am 23. Februar 2025 einen neuen Bundestag wählen. Anschliessend wird eine neue Regierung ernannt. Alle News und Hintergründe zu den Wahlen in Deutschland finden Sie hier.

10vor10, 22.01.2025, 21:50 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel