In vier Wochen finden in Deutschland Neuwahlen statt. Die Grünen liegt in Umfragen derzeit fast gleichauf mit der SPD. Gut möglich also, dass sie nach den Wahlen trotz Verlusten wieder Teil der Regierung werden könnten. Am Weltwirtschaftsforum in Davos spricht der grüne Kanzlerkandidat Robert Habeck über den Wahlkampf, Europa und die Krisenbewältigung.
SRF News: Vor Ihrer politischen Karriere haben sie unter anderem das Buch «Jagd auf den Wolf» geschrieben. Fühlen Sie sich im gehässigen Wahlkampf manchmal auch als Gejagter?
Robert Habeck: Nein. Und es ist auch noch gar nicht so ein gehässiger Wahlkampf. Die Zeit ist kurz und alle kämpfen um die Stimmen.
Ich fühle mich nicht als Gejagter, ganz im Gegenteil.
Da passiert jeden Tag was Neues, häufig auch von aussen und keine schönen Dinge. Aber im Moment ist das alles noch im Rahmen der Messgenauigkeit. Also ich fühle mich nicht als Gejagter, ganz im Gegenteil. Und «Jagd auf den Wolf» ist auch ein Buch über die Rettung eines Wolfs.
Nach drei Jahren als Vizekanzler und Wirtschaftsminister: Was würden Sie anders machen, wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten?
Ich würde dann mit dem ersten Tag des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine, als klar war, dass uns das die Gas-Unterstützung aus Russland kosten würde, ein grosses Konjunkturpaket auflegen. Wir haben eine tiefe Rezession, die damals vorhergesagt war, abgewehrt, aber eine sich jetzt sehr hartnäckig festsetzende Stagnation. Das ist nicht befriedigend und ausreichend. In normalen Krisenzeiten hätte man ein grosses Konjunkturprogramm gebaut. Das war damals in der Ampel politisch nicht möglich. Aber wenn ich noch mal zurückgehen könnte und mir was wünschen dürfte, das hätte ich getan.
Der neue US-Präsident Donald Trump etwa setzt kompromisslos auf das Recht des Stärkeren. Muss auch Deutschland künftig die eigenen Interessen rücksichtsloser vertreten?
Das wäre die falsche Antwort. Die richtige Antwort auf «America first» ist «Europe United». Europa ist ein starker Binnenmarkt, ein starker Wirtschaftsraum. Jetzt gibt es ja auch eine gute Beziehung mit der Schweiz, was ich sehr richtig finde. Und das muss gehalten werden, dann können wir einen Unterschied machen. Donald Trump will das Gegenteil. Er will Europa spalten und vielleicht sogar die Europäische Union zerstören oder greift sie zumindest an. Deswegen wäre jetzt das Falscheste, wenn jeder Staat an sich selber denkt. Wir müssen Europa zusammenhalten, Europa stärken, geschlossen und entschlossen.
Immer unter Druck agiert Europa stark und geschlossen.
Schon in der ersten Amtszeit Trumps gab es die Forderung, aber passiert ist das nicht. Mit Blick auf den Ukrainekrieg spielen ausschliesslich die USA geopolitisch wirklich eine Rolle, auch in Europa.
Jein. Es ist schon viel passiert. Immer unter Druck agiert Europa stark und geschlossen. Das ist bei der Covid-19-Pandemie so gewesen. Das war auch im ersten Jahr des Angriffskrieges auf die Ukraine so, sowohl militärisch als auch, was Energiesolidarität angeht. Viele Dinge sind danach wirklich schnell und gut vorangebracht worden. Es gab Solidaritätsabkommen. Das erlischt jetzt gerade wieder etwas und es droht auszufasern. Wir stehen unter Druck. Das sind jetzt existenzielle Herausforderungen für die liberalen Demokratien. Und entsprechend hoffe ich darauf, dass das Verständnis bei allen das Gleiche ist und Europa jetzt die nächsten Einigungsschritte geht, in der Sicherheitspolitik, in der Finanzpolitik, in der Wirtschaftspolitik, in der digitalen Politik, einen Binnenmarkt schafft und dann einen Aufbruch organisiert.
Das Gespräch führte Sebastian Ramspeck.