Es sind jetzt gut drei Monate, seit in Europa und den USA überraschend Affenpockenfälle aufgetreten sind. Seitdem verbreitet sich das Virus vor allem unter Männern, die Sex mit Männern haben. Warum es sich ausgerechnet jetzt verbreitet, wird von Experten untersucht. Michael Marks ist Experte für Syphilis an der London School of Hygiene and Tropical Medicine. Jetzt forscht er zusätzlich zusammen mit Kollegen in Spanien an Affenpocken. Neu vorgelegt haben sie eine Studie mit knapp 200 Fällen von Affenpocken.
Studie mit 200 Fällen
Die Fragen, die sie stellten, waren direkt: Welche Sexualpraktiken waren im Spiel bei der Ansteckung? Und passen diese zum Muster der Affenpockenpusteln am Körper? Die Antwort ist ein schlichtes Ja. Wer Analsex hatte, entwickelte Pusteln am Anus, wer Oralsex hatte, Pusteln am Mund.
Nähe reicht nicht
Das mag banal klingen, aber damit ist klar gezeigt. Es braucht direkten Kontakt zwischen Pusteln beim schon Infizierten und so engen Hautkontakt, dass beim noch Gesunden die Haut leicht verletzt wird, und das Virus eindringen kann. Schlichte Nähe wie zum Beispiel auf Festivals reicht kaum für eine Ansteckung.
Wenn Ansteckung über die Atemwege eine relevante Rolle spielen würde, hätte man inzwischen längst mehr Infektionen dort beobachtet, wo Menschen in einer Familie oder Wohngemeinschaft zusammenleben.
Vom Tier auf den Menschen übertragen
Bleibt die Frage, was nun anders ist als all die Jahre zuvor, so dass sich das Virus auf einmal so stark verbreitet. In Nigeria, wo Kollegen von Marks am Centre for Disease Control CDC Affenpocken seit Jahren untersuchen, ist das Virus in Nagern und kleinen Säugetieren verbreitet, und es kommt immer wieder vor, dass das Virus von diesen Tieren auf Menschen übertragen wird.
Doch die Infektionsketten von Mensch zu Mensch brechen jeweils nach kurzer Zeit ab, die Ausbrüche enden von selbst. Hinweise darauf, dass das Virus selbst sich verändert haben könnte, also zum Beispiel ansteckender geworden wäre, gibt es keine soliden. Das Virus – so der Forscher Michael Marks – habe vermutlich einfach «Glück gehabt» und konnte per Zufall in ein soziales Netzwerk eindringen, das seine Verbreitung begünstigt.
Ähnlich wie bei Syphilis
Es sei auf eine bestimmte Gruppe von Männern getroffen, die Sex mit Männern haben, und dabei relativ häufig ihre Partner wechseln und weitläufige Verbindungen über Ländergrenzen hinweg pflegen. Man kenne dieses Muster von anderen Krankheiten, die schon besser verstanden sind, wie zum Beispiel Syphilis.
Syphilis etwa kursiert seit den 1990ern recht stark in dieser Gruppe, ist aber nie in relevantem Ausmass auf andere Bevölkerungsgruppen übergegangen.
Wenn dieses Muster auch auf die Affenpocken zutrifft, dann gilt für die Bekämpfung der Affenpocken: Es lohnt sich jetzt zu reagieren, denn die Chance, das Virus ganz und gar zurückzudrängen ist real. Die Bevölkerungsgruppe, die aufzuklären und per Impfung zu schützen ist, ist überschaubar.