Der weisshaarige Mann mit den dunklen Augenbrauen und dem adretten Schnauz präsentiert sich gerne als «Retter» Libyens, als Anführer eines Bündnisses, das gegen islamistische Kräfte vorgeht.
Vielen Beobachtern hingegen gilt der 75-Jährige als obskure wendige Persönlichkeit. Seine Gegner – in seiner Darstellung alles «Terroristen» und «Söldner» – werfen ihm vor, Putsche zu schüren und eine neue Militärdiktatur errichten zu wollen.
Haftar ist ein Taktiker, der seine wahren Absichten oft verschleiert.
Wie das geht, weiss Chalifa Haftar aus eigener Anschauung: 1969 hatte er sich als Soldat am Militärputsch gegen die Senussi-Monarchie beteiligt, der Muammar Gaddafi an die Macht bringen sollte.
Vom Gaddafi-Getreuen zum CIA-Protegé
Als Offizier kommandierte Haftar später die libyschen Truppen im Grenzkrieg mit dem Tschad, wurde von Gaddafi jedoch nach der libyschen Niederlage 1987 fallengelassen. Nachdem er in Gefangenschaft geraten war, bestritt Gaddafi, dass er Teil seiner Armee sei.
In einer bis heute rätselhaften Operation floh Haftar 1990 mit Hilfe der CIA in die USA. Dort erhielt er politisches Asyl und schloss sich der libyschen Oppositionsbewegung an.
Nach Libyen sollte er erst zwei Jahrzehnte später während des Aufstandes gegen Gaddafi zurückkehren. Kurz nach dem Sturz des Regimes liess er sich 2011 in Benghazi von rund 150 Offizieren zum Stabschef ernennen.
Grossteile des Landes unter Kontrolle
Mit seiner sogenannten «Libyschen Nationalen Armee» stieg der gewiefte Taktiker seither – nach einem kläglich gescheiterten Umsturzversuch 2014 – zum einflussreichsten Akteur Libyens auf. Er entriss zunächst den Osten des Landes der Kontrolle islamistischer Gruppierungen und eroberte schliesslich auch grosse Gebiete im Süden sowie zuletzt im Westen des Landes.
In Scharara und Al-Fil übernahmen seine Anhänger zwei der wichtigsten Ölfelder – womit sie fast die gesamte Erdölproduktion des Landes kontrollieren.
Viele der eroberten Gebiete vermochte Haftar kampflos unter seine Kontrolle bringen. Dazu verbündete er sich mit lokalen bewaffneten Kräften und spielte rivalisierende Gruppen geschickt gegeneinander aus.
Wacklige Allianz und internationale Unterstützer
Ungefährlich ist das zwar nicht. Haftars Armee sei letztlich eine ziemlich wacklige Allianz lokaler Milizen, meint Tarek Megerisi vom European Council on Foreign Relations. Der General sei nicht so stark wie es scheine. «Viele der lokalen Kräfte wechseln ihre Loyalität je nach Opportunität und der besten Bezahlung», sagte auch die in Afrika lebende Journalistin Astrid Frefel vor kurzem zu SRF News.
Zumindest bisher geht Haftars Strategie jedoch voll auf. Seine Einheiten schicken sich an, die Hauptstadt Tripolis einzunehmen. Das zeugt mindestens so sehr von der Schwäche der international anerkannten Einheitsregierung al-Sarradschs wie von seiner eigenen Stärke.
Auch Haftar kann mittlerweile auf gewichtige internationale Unterstützung zählen. Er weiss Länder wie Frankreich, Russland, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und seit kurzem auch Saudi-Arabien hinter sich.
Wird er Libyens neuer Gaddafi?
Und was, wenn es Gaddafis ehemaligem General tatsächlich gelingen sollte, das gesamte Land unter seine Kontrolle zu bringen? «Haftar ist ein Taktiker, der seine wahren Absichten oft verschleiert», sagt Frefel. Immer wieder werden Vergleiche zu Ägyptens Sisi gezogen, der vom Armeeführer zum Präsidenten wurde.
Einen solchenen Weg samt Militärrat als Führungsgremium hat auch Haftar selbst schon angedeutet. In seinem Umfeld sollen bereits Pläne bestehen, die libysche Armee in die eigene «Libysche Nationale Armee» zu integrieren. «Für einen zivilen demokratischen Staat würde Haftar dabei bestimmt nicht stehen», meint Journalistin Frefel.
Andere Beobachter formulieren es noch expliziter: Sie schreiben Haftar die Absicht zu, Libyens «neuer Gaddafi» werden zu wollen.