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General Haftar erobert libyschen Süden
Aus Echo der Zeit vom 06.03.2019. Bild: Reuters
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Machtverschiebung in Libyen «Haftar ist ein Taktiker»

In Libyen hat General Chalifa Haftar, Gegenspieler des international anerkannten Ministerpräsidenten Fayez Sarradsch, grosse Gebiete im Süden des Landes erobert – beinahe ohne Gewalt. Journalistin Astrid Frefel über seine Strategie und seine Chancen, sich in Tripolis durchzusetzen.

Astrid Frefel

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Die Journalistin Astrid Frefel lebt und arbeitet seit Ende der Neunzigerjahre in Kairo. Davor war die Ökonomin aus Basel Wirtschaftsjournalistin für verschiedene Zeitungen, später berichtete sie für den «Tages-Anzeiger» aus Wien und Istanbul.

SRF News: Mit welcher Strategie ist es Haftar gelungen, die Kontrolle im Süden Libyens zu übernehmen?

Astrid Frefel: Gebietsgewinne erreicht er immer mit demselben Muster: Seine Truppen verbünden sich mit bewaffneten lokalen Kräften. Dabei hat er in dieser ethnisch heterogenen Region sogar rivalisierende Gruppen gegeneinander ausgespielt.

Sein Erfolg ist auch darauf zurückzuführen, dass Verbände, die loyal zur Einheitsregierung in Tripolis stehen, sich kampflos zurückgezogen haben. Er hat nur wenig Gewalt anwenden müssen. Haftar hat das erklärte Ziel, bis nach Tripolis vorzustossen.

Männer vor einem Trümmerberg
Legende: Beobachter gehen davon aus, dass Haftars nächstes Ziel die Stadt Sirte im Norden sein könnte. Die Bewohner kritisieren, Sarradschs Regierung leiste zu wenig Unterstützung. Reuters/Archiv

Wie stabil ist seine Machtbasis?

Haftars Strategie, mit den lokalen Kräften zusammenzuarbeiten, ist gleichzeitig auch seine Schwäche. Viele von ihnen wechseln ihre Loyalität je nach Opportunität und der besten Bezahlung.

Chaos im Bürgerkriegsland

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Seit dem Sturz von Machthaber Muammar Gaddafi 2011 ist Libyen in mehrere konkurrierende politische und militärische Gruppen gespalten. Die international anerkannte Einheitsregierung von Fayez Sarradsch hat weite Teile des Landes nicht unter Kontrolle. Der Osten Libyens wird von Warlord Chalifa Haftar kontrolliert.

Libyen ist ein Rückzugsort für die Dschihadistenmiliz IS. Haftars Libysche Nationale Armee startete Mitte Januar im Süden eine Offensive gegen «Terroristen». Nun hat Haftar grosse Gebiete in Südlibyen erobert und die zwei grössten Ölfelder des Landes eingenommen.

Ist es denkbar, dass sich Haftar auch in Tripolis durchsetzen könnte?

Beobachter gehen davon aus, dass sein nächstes Ziel die Stadt Sirte sein könnte. Deren bewaffnete Verbände gehören zum Einflussbereich der Sarradsch-Regierung. In dieser Stadt hat es in den letzten Wochen Proteste und Kritik an der Zentralregierung gegeben.

Es gibt immer noch offenen Widerstand gegen Haftars Feldzug.

Sollte Haftar hier keinen Widerstand erleben, würde das bedeuten, dass es Absprachen zwischen ihm und Sarradsch über einen friedlichen Einzug in Tripolis geben könnte. Es gibt allerdings immer noch offenen Widerstand gegen Haftars Feldzug. Vor allem die mächtigen Milizen in Misrata halten Haftar für einen Putschisten.

Gebäude mit Schusslöchern und ein Plakat mit Haftar
Legende: Einschusslöcher in der umkämpften Stadt Bengasi: «Die Libyer wollen die Spaltung ihres Landes überwunden sehen», sagt Astrid Frefel. Reuters

Es gibt Pläne einer nationalen Konferenz. Ist da schon etwas konkret?

Auf Initiative der UN-Mission wurde in den letzten Monaten eine sehr breit angelegte Konsultation in der Bevölkerung mit über 70 Treffen im ganzen Land durchgeführt. Dabei hat sich herausgestellt, dass die Menschen diese Spaltung des Landes überwunden sehen wollen.

Der Grossteil der Libyer hat kein Verständnis, dass eines der reichsten Länder der Welt auf ausländische Hilfe angewiesen ist.

Sie verlangen Sicherheitskräfte, die sich nicht in die Politik einmischen und sie wollen, dass die Ressourcen des Landes durch einen dezentralen Staat möglichst gerecht verteilt werden. Der Grossteil der Libyer hat kein Verständnis, dass eines der reichsten Länder der Welt auf ausländische Hilfe angewiesen ist.

Neuer Versuch für Wahlen

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Ende des Jahres sollen in Libyen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen durchgeführt werden. Darauf verständigten sich Ministerpräsident Sarradsch und Milizenchef Haftar vergangene Woche in Abu Dhabi.

Sarradsch sagte am Dienstag, er habe sich mit Haftar getroffen, «um das Blutvergiessen zu stoppen» und einen Ausweg aus dem Konflikt zu finden. Unter Vermittlung der UNO waren bereits im Dezember 2018 Wahlen geplant. Neue Kämpfe und Streit unter den Konfliktparteien verhinderten dies.

Im Dezember sollen Wahlen stattfinden. Ist es denkbar, dass sich Haftar nun, da er so viel mehr Macht hat, auf solche Wahlen einlässt?

Haftar ist ein Taktiker, der seine wahren Absichten oft verschleiert. Klar ist, dass die wichtigsten internationalen Akteure auf Wahlen drängen, insbesondere Frankreich, das an seiner Seite steht. Er kann sich einer politischen Lösung deshalb mindestens offiziell nicht verschliessen. Ob er damit rechnet, dass diese Wahlen nie stattfinden werden – denn viele der gesetzlichen Grundlagen fehlen noch – und er bis dann einen militärischen Sieg verbuchen kann, ist nicht auszuschliessen.

Sarradsch, Macron, Haftar
Legende: Die wichtigsten internationalen Akteure drängen auf Wahlen: So auch Frankreichs Präsident Macron, hier bei einem Treffen mit Sarradsch (l.) und Haftar 2017. Keystone

Könnte Haftar die richtige Figur für das ganze Land sein?

Haftar wird oft mit Ägyptens Sisi verglichen, der vom Armeechef zum Präsidenten wurde. Er selbst hat einen solchen Weg auch schon angetönt und einen Militärrat als Führungsgremium verlangt. Sicher würde Haftar in dieser Funktion nicht für einen zivilen demokratischen Staat stehen.

Das Gespräch führte Roger Brändlin.

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