Island hat gewählt: Halla Tómasdóttir ist die neue Staatspräsidentin Islands. Die 55-Jährige hat sich gegen 11 Kandidaten und Kandidatinnen durchgesetzt und holte 34 Prozent der Stimmen. Tómasdóttir hatte bereits vor 8 Jahren schon einmal kandidiert – erfolglos. Nordeuropakorrespondent Bruno Kaufmann erklärt, wie es zu dieser Wahl gekommen ist.
SRF News: Wer ist Halla Tómasdóttir?
Bruno Kaufmann: Halla Tómasdóttir ist als Investmentbankerin und Wirtschaftsspezialistin in Island bekannt. Sie hat nie ein politisches Amt innegehabt. Politisiert wurde sie durch die grosse Finanzkrise vor 15 Jahren, die Island fast zum Erliegen. Sie hat dann einen von Frauen geprägten Bankensektor aufgebaut. Und sie hat eine Art Demokratiebewegung mitgeprägt, die eine neue Verfassung für Island ausarbeitete. Beides ist nur teilweise gelungen, aber damit hat sie sich vor Jahren schon einen Namen gemacht.
Ihre Spitzenkonkurrentin war die ehemalige Premierministerin Katrín Jakobsdóttir. Weshalb hat Jakobsdóttir trotz viel politischer Erfahrung deutlich weniger Stimmen geholt?
Das ist ein klares Bekenntnis, dass man jemanden wollte, der nicht schon das ganze Leben in einer politischen Partei war oder eben auch sehr pointiert politisiert hat wie Katrín Jakobsdóttir. Sie war lange Vorsitzende der linksgrünen Partei in Island, die gegen die EU und gegen die Nato ist.
Es ist Halla Tómasdóttir viel besser gelungen, die jungen Wählerinnen und Wähler zu mobilisieren.
In den letzten sieben Jahren war es Jakobsdottir gelungen, eine grosse Koalition mit den bürgerlichen Parteien zu schmieden. Aber ein Teil der eigenen Wählerschaft hat sich nun gegen sie entschieden, weil sie diesen Brückenschlag nicht goutierte. Zum zweiten ist es Halla Tómasdóttir viel besser geglückt, die jungen Wählerinnen und Wähler zu mobilisieren. Sie hat vor allem über die sozialen Medien viele junge Wählerinnen mobilisiert, wählen zu gehen.
Das Amt der Präsidentin in Island ist weitgehend repräsentativ. Was kann Tómasdóttir bewirken?
Das Präsidentenamt ist relativ repräsentativ, es ist aber sehr interessant aufgestellt. Es bietet etwa die Möglichkeit, zum Beispiel Gesetze, die vom Parlament erlassen werden, zur Volksabstimmung zu bringen oder die Regierung aufzulösen. Wie Halla Tómasdóttir mit Menschen umgeht, konnte ich bei einem Nachwahl-Apéro sehen, den Tómasdóttir – der Tradition entsprechend – in ihrem Garten in Reykjavik, wo sie noch wohnt, ausrichtete. Da waren über 200 Menschen zugegen, und ich konnte sehen, wie auch die Menschen sie schätzen. Sie hat sicher einen grossen Sympathiebonus und wird in den nächsten vier Jahren zeigen, wie sie mit ihren Themen auch Diskussionen anregen kann, und vielleicht die Politik in Island vitalisieren wird.
Das Gespräch führte Romana Kayser.