Sinwar wurde 1962 in einem Flüchtlingslager in Chan Yunis im Gazastreifen geboren. An der Islamischen Universität Gaza erwarb er einen Abschluss in Arabistik. Während seines Studiums wurde Sinwar 1982 erstmals verhaftet und befand sich mehrere Monate in Haft in Israel.
Später war er am Aufbau der internen Sicherheitskräfte (al-Madschd) der späteren Hamas beteiligt und verantwortlich für die Gründung des gefürchteten Geheimdienstapparats.
«Der Schlächter von Chan Yunis»
Im Dezember 1987 war Sinwar bei der Gründung der Hamas dabei. Im Jahr 1988 wurde er erneut verhaftet und im selben Jahr für schuldig befunden, an der Ermordung von israelischen Soldaten und Palästinensern beteiligt gewesen zu sein. Er gab zu, mutmassliche palästinensische Kollaborateure getötet zu haben, was ihm die Bezeichnung «Schlächter von Chan Yunis» einbrachte.
Sinwar wurde zu viermal lebenslanger Haft in einem israelischen Gefängnis verurteilt. Er habe die Zeit im Gefängnis damit verbracht, «den Feind zu studieren», wie er sagte, und lernte Hebräisch.
Im Jahr 2008 überlebte Sinwar in Haft einen Hirntumor, nachdem er von israelischen Ärzten behandelt worden war. 2011 gehörte er zu den 1026 palästinensischen Gefangenen, die von Premierminister Benjamin Netanjahu bei einem Austausch gegen den israelischen Soldaten Gilad Schalit freigelassen wurden. Insgesamt befand er sich über 20 Jahre in israelischer Haft.
Karriere in der Hamas gemacht
Sinwar gehörte zur Gründergeneration der Hamas. Die islamistische Organisation formierte sich während des ersten Palästinenseraufstands Intifada Ende der 1980er-Jahre im Kampf gegen die israelische Besatzung. Er war auch am Aufbau des militärischen Hamas-Arms, der Kassam-Brigaden, beteiligt.
Nach seiner Rückkehr in den Gazastreifen stieg Sinwar rasch in der Führung der Hamas auf. Der Hamas-Gründer Scheich Ahmad Yasin († 2004), bezeichnete ihn einmal als seinen wichtigsten Helfer.
Ab 2017 wurde Sinwar Chef der Hamas im Gazastreifen, wodurch er die Kontrolle über das Küstengebiet übernahm. Dort arbeitete er mit seinem Vorgänger Ismail Hanija zusammen, um die Hamas mit Iran und deren Stellvertretern in der Region zu verbünden. Als Hanija im Juli bei einem mutmasslich israelischen Anschlag während eines Besuchs in Teheran getötet wurde, rückte Sinwar als oberster Führer der Hamas nach.
Bereits 2022 hatte er in einer seiner seltenen Rede geschworen, eine «Flut von Kämpfern und Raketen» nach Israel zu schicken. Er trat kompromisslos für die Gründung eines Staates Palästina und die Vernichtung Israels ein. Dabei wurde er oft ebenso als brutal wie fanatisch beschrieben.
Drahtzieher des Attentats am 7. Oktober 2023
Es wird angenommen, dass Yahya Sinwar mit Mohammed Deif († 2024), dem Chef des bewaffneten Flügels der Hamas, den Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober 2023 vorbereitet hat. Beim Überfall wurden über 1200 Israeli, grösstenteils Zivilisten, getötet. Israel bezeichnete Sinwar als «das Gesicht des Bösen». Seit dem Anschlag hat er sich versteckt gehalten.
Schon vor seiner Ernennung zum obersten Hamas-Führer galt Sinwar als derjenige, der das letzte Wort über alle Entscheidungen hat. Laut Hamas-Kreisen war er auch die entscheidende Person bei den Verhandlungen über eine Waffenruhe und die Freilassung der israelischen Geiseln.